Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

150 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 8 18. 
  
dieser „bei dem betreffenden Departement (Ministerium) Klage geführt oder sonst die ge- 
setzlichen Vorschritte getan haben“. Die Betonung des Unterordnungsverhältnisses zum 
Ministerium gibt aber zu erkennen, daß die Beschwerde überhaupt nur soweit reicht, wie 
diese Unterordnung, und soweit daraus dem Minister Mittel zu Gebote stehen, gegen den 
Schuldigen einzuschreiten, um ihm zu wehren oder ihn zur Rechenschaft zu ziehen. So 
verstanden, richtet sich auch dieser zweite Teil des Beschwerderechts wesentlich gegen die 
Minister. Es handelt sich in dem ganzen § 110 um Geltendmachung der Ministerverant- 
wortlichkeit durch die Stände.:?)) Die Besonderheit dieser Beschwerde wegen Pflicht- 
widrigkeit und der Grund, weshalb man sie geschieden hat von den Anträgen nach & 109, 
die ja auch Beschwerden sein können, ist der, daß die Beschwerde nach & 110 von jeder 
Kammer für sich erhoben werden kann. Ordentlicherweise — es müßte schon wegen 
der besseren Aussicht auf Erfolg rätlich sein — wird man immer zuerst versuchen, auch die 
andere Kammer zur Zustimmung zu bewegen; ein förmliches Vereinigungsverfahren 
bedeutet das nicht (vgl. oben Note 18). Das Recht auf Bescheid verbindet sich selbstver- 
ständlich hier auch mit der Beschwerde der einzelnen Kammer. 
— Das Recht der Petition und Beschwerde an die Stände. Von 
einem Petitionsrecht ist hier in doppeltem Sinne die Rede. Einmal insofern, als den Ein- 
zelnen die Befugnis zustehen soll, sich mit ihren Anliegen an die Volksvertretung zu wenden, 
also das Petitionsabsendungsrecht. Dies heißt man ein Recht nur im 
Gegensatz zu dem Gedanken, daß man das möglicherweise auch verbieten könnte; ohne ein 
solches Verbot versteht es sich von selbst. Gleichwohl hat — übereinstimmend mit andern 
Verfassungen, z. B. der Preußischen in Art. 32 — die Verf.-Urk. § 36 das Petitionsrecht 
in diesem Sinne ausdrücklich anerkennen wollen. Natürlich hilft das „aktive“ Petitions- 
recht, von selbst bestehend oder ausdrücklich anerkannt, nur dann etwas, wenn der Adressat 
auch fähig und berechtigt ist, darauf einzugehen und sich mit dem Gesuche zu befassen. 
Auf das Petitionsempfangsrecht der Stände also kommt alles an. Und mit 
diesem verhält es sich von Haus aus umgekehrt: es ist nicht selbstverständlich, sondern im 
Gegenteil zunächst ausgeschlossen durch den Grundsatz, daß die Stände nur mit dem Mini- 
sterium und durch das. Ministerium einen Verkehr nach außen pflegen (Verf.-Urk. § 133, 
Landt.-Ord. 5 24, § 28). Der §5 111 durchbricht aber diesen Grundsatz, indem er den Stän- 
den gestattet, „Beschwerden der Untertanen anzunehmen". 
Es wird dem Geiste der Verf.-Urk. entsprechen, wenn das tatsächlich so gehandhabt 
So schon Crusius, Handbuch des im Kgr. Sachsen geltenden Zivilrechts (1825) III S. 180, 
109: „Gänzliche Vernachlässigung muß ebenso wie die absichtliche Beschädigung in allen Ver- 
trägen ersetzt werden.“ — „Staatsdiener“ ist nicht in dem begrenzten Sinne des Staatsdiener- 
gesetzes v. 7. März 1835 zu verstehen, sondern ist, entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch 
der Zeit, gleichbedeutend mit Staatsbeamter (ogl. Weiße, Sächs. Staats-R. II & 128ff; 
Klüber, Off. Recht §& 343ff.), In Betracht kommt also jeder, der ein Staatsamt bekleidet; 
dazu gehört allerdings eine öffentliche Dienstpflicht dem Staate gegenüber; vgl. unten § 28 Note 8. 
27) So Fricker, Grundriß S. 249; Apelt, Komment. z. Verw.-Rechtspflege-Ges. 
S. 229; Leuthold, Staats-R. S. 235. Die gleiche Auffassung gilt auch für Verf.-Urk. N 140, 
worüber unten §5 26 II Nr. 1. Opitz, Staats-R. II S. 232 Note 3, erhebt hier Wider- 
spruch gegen Leuthold und will nicht zugeben, daß ein Unterschied in der Verantwortlichkeit 
vor den Ständen bestehe zwischen den Ministern und anderen Behörden; beide würden ja durch 
den Antrag der Stände getroffen. Da aber das Vorgehen der Stände immer nur den Zweck 
haben kann, entweder den Minister allein zu treffen oder ihn zugleich in Bewegung zu setzen 
gegen die ihm unterstellte Behörde und dadurch auch diese zu treffen, so kann man sehr wohl mit 
Leuthold von der Verantwortlichkeit der letzteren sagen, sie sei keine „direkte“ (a. a. O. S. 250).
	        
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