Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 18. Die Versammlung des Landtages und sein Geschäftsgang. 151 
  
wird, daß nicht bloß eigentliche Beschwerden, sondern alle Arten von Bitten, Wün- 
schen und Vorschlägen zugelassen sind. 
Auch wird es nicht notwendig sein, daß diese „Untertanen“ Staatsangehörige seien. 
Sächsische Staatsangehörige können immer gehört werden, andere wenigstens insofern, 
als sie von Maßregeln der sächsischen Staatsverwaltung betroffen werden, Untertanen 
also in diesem weiteren Sinne sind. Es handelt sich nicht um Ausübung eines poli- 
tischen Rechtes des Gesuchstellers, sondern der Stände.8) 
Einzelmenschen und Gesellschaften können auftreten, auch „Körperschaften“, also 
Selbstverwaltungskörper und juristische Personen des öffentlichen und des Privat- 
Rechtes, gehörig vertreten, selbstverständlich, durch ihre geordnete Vorstandschaft. Be- 
hörden und Amter sind weder „Untertanen“, noch „Körperschaften“; mit ihnen können 
die Stände nichts zu tun haben. Der Beamte persönlich mag sich an sie wenden für 
nichtamtliche Anliegen, wie jeder andere. 
Die Form der Schriftlichkeit ist vorgeschrieben; „Deputationen von Körper- 
schaften“ sind ausdrücklich verboten; es verstünde sich auch ohne dies von selbst, eben weil 
bloß der schriftliche Verkehr zugelassen, jeder andere also nach den bestehenden Grund- 
sätzen ausgeschlossen ist. 
Je weitherziger die Rechtsordnung ist in der Eröffnung dieses Weges, desto weniger 
stattet sie ihn aus mit der rechtlichen Sicherheit, zu einem Ergebnisse zu führen. Es kommt 
darauf an, ob es überhaupt in der Macht der Stände steht, für den Gesuchsteller etwas 
zu tun: durch das eingelaufene Gesuch wird ihre Zuständigkeit in keiner Weise verstärkt. 
Die Verf.-Urk. & 111 hebt insbesondere hervor, daß Beschwerden „unberücksichtigt bleiben“, 
wenn der Beschwerdeführer nicht auch schon vergebens beim Ministerium Abhilfe gesucht 
hat; das ist nichts als eine Folgerung aus der Schranke, welche § 110 Abs. 3 dem eigenen 
Beschwerderecht der Stände gesetzt hat. 
Und wenn es in der Macht der Stände steht, etwas zu tun — ihr Petitionsrecht läßt 
ihnen ja weiten Spielraum — so ist es wieder ihrem freien Ermessen überlassen, inwie- 
weit sie den Fall geeignet finden, sich dafür einzusetzen. 
Die Kammern haben sich mit dem Schutzgürtel eines abgekürzten Verfahrens um- 
geben, um dem Übermaß der einlaufenden Petitionen und Beschwerden zu begegnen. 
Das Verfahren ist vor allem bei der besonders gefährdeten zweiten Kammer ausgebildet 
(Gesch.-Ord. § 27 und § 27b). Die Sachen gehen immer zunächst an die „Beschwerde- 
und Petitionskommission“. Diese prüft die äußerliche „Zulässigkeit“29,) sowie den etwaigen 
Zusammenhang mit einem bei einer andern Deputation oder bei der andern Kammer 
schon in Beratung stehenden Gegenstand, um die Sache gegebenenfalls dorthin zu ver- 
weisen. Dann kommt die Frage, ob die Petition zur weiteren Beratung in der Kammer 
„ungeeignet und daher auf sich beruhen zu lassen sei“. Die Beschlüsse werden durch den Druck 
vervielfältigt und den Kammermitgliedern zur Kenntnis gebracht. Sie gelten als geneh- 
28) Opitz, Staats-R. II S. 167, bestätigt die ausdehnende Auffassung, welche in den bei- 
den erwähnten Beziehungen durch die Praxis dem Petitionsrecht an die Stände zuteil wird. 
29) Landt.-Ord. § 23 zählt eine Reihe von Mängeln auf, welche eine eingereichte Petition 
wunzulässig“" machen, d. h. von jeder geschäftlichen Berücksichtigung ausschließen: Mangel 
einer Unterschrift, falscher Name, Unterzeichner nicht zu ermitteln, aber auch „Unklarheit“, feh- 
lende „Bescheinigung“ der angeführten Tatsachen usw. Es sind Möglichkeiten genug, der Petition 
den Zugang zur förmlichen Behandlung zu versagen.
	        
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