Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

162 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 8 20. 
  
genügen, wird man zur Gesetzesform greifen müssen. Allerdings besteht hier in gewissem 
Maße die Möglichkeit, das Bedürfnis nach Rechtssatzwirkung auch anderweit zu befriedigen. 
Das ist die Bedeutung des Verordnungsrechtes.15) Wir verstehen darunter die 
gewissen Stellen besonders verliehene Befugnis, namens des Staates Rechtssätze zu schaffen 
außerhalb der Form des Gesetzes. Es ist naturgemäß an genauer bestimmte Voraus- 
setzungen gebunden (vgl. unten § 22); nur wo diese gegeben sind, vermag es für das Gesetz 
Ersatz zu gewähren. Außerhalb dieses Kreises bleibt das Gesetz unentbehrlich. 
In der gleichen Weise können Gesetze notwendig werden wegen der anderen Eigenschaft 
des Gesetzes, wegen seiner Unverbrüchlichkeit. Wenn es gilt, ein Gesetz auf- 
zuheben oder abzuändern oder im Einzelfalle Abweichungen davon zu schaffen, wird der 
Weg der Gesetzgebung beschritten werden müssen. Das Ergebnis ist seinem Inhalt nach 
entweder selbst wieder ein Rechtssatz oder die Beseitigung eines solchen, oder nur eine an 
Stelle des Rechtssatzes tretende Vorschrift für den Einzelfall (Privilegium oder Dispen- 
sation). Ein gewisser sachlicher Zusammenhang mit dem Rechtssatz ist auch in letzterem 
Falle gewahrt, aber der Name Gesetz rechtfertigt sich doch wesentlich nur durch die Ent- 
stehungsform des Aktes. 
2. Dazu kommt eine zweite Art des Notwendigwerdens eines Gesetzes: wo es 
an sich möglich wäre, die hervorzubringende Wirkung auch in andrer Weise zu erreichen, 
durch ausdrückliche Bestimmung aber ein Gesetz dafür verlangt wird. Diese Be- 
stimmung kann in einem einfachen Gesetze enthalten sein; die wichtigsten Beispiele solcher 
Verweisung auf ein künftiges Gesetz bietet aber die Verfassungsurkunde selbst. 
Die Verweisung kann auf zweierlei Weise geschehen. Es kann sein, daß über einen 
bestimmten Gegenstand ein Gesetz erlassen werden soll, um ihm auf diese Art in Uber- 
einstimmung mit den Ständen eine feste Ordnung zu geben. Das bedeutet ein Ver- 
sprechen des Königs, eine dahin zielende Vorlage machen und sie womöglich durchbringen 
zu lassen. Die Verf.-Urk. enthält derartige Zusagen in § 25, 5 35, 39, § 44, § 55, 9 77. 
Denkbar sind solche Zusagen, ganz mit der gleichen Wirkung, auch in einfachen Gesetzen, 
ja sogar in einseitigen Erklärungen des Königs. Bis zur Erfüllung des Versprechens 
verbleibt es in dem bezüglichen Punkte bei dem bisherigen Stand, mit der Erfüllung des 
Versprechens und dem Zustandekommen des Gesetzes ist die Zusage, also auch die sie ent- 
haltende Verfassungsbestimmung erledigt. 160) Das Gesetz, auf welches es hier abgesehen 
ist, ist im Zweifel immer zu verstehen als eine unter Zustimmung der Stände für die Unter- 
tanen zu erlassende allgemeine Vorschrift. Eine in Gesetzesform ergehende Einzelverfügung 
würde keine Erfüllung des Versprechens sein. 1) 
15) Daß außerdem noch Rechtssätze geschaffen werden können im Bereiche der Autonomie, 
Hausgesetze oder Ortsgesetze, bleibt hier, wo nur vom Staate die Rede ist, unberücksichtigt. 
16) Als Beispiel zur Erläuterung des Obigen diene Verf.-Urk. 3§ 44: „Die Verhältnisse der 
Staatsdiener sollen durch ein besonderes Gesetz näher bestimmt werden.“ Dos ist offenbar kein 
Rechtssatz, sondern lediglich ein Veersprechen in Gesetzesform, daß Rechtssätze gemacht 
werden sollen. Einstweilen bleibt trotz des § 44 alles geordnet, als bestände § 44 nicht; trotz seiner 
könnten die Verhältnisse der Staatsdiener auch weiterhin ohne besonderes Gesetz rechtmäßig 
bestehen und auch durch Verwaltungsvorschriften rechtswirksam neu geordnet werden. Die Nicht- 
erfüllung des Versprechens hätte nachteilige Folgen lediglich gehabt im Verhältnis zwischen 
Regierung und Landtag. Nach Erfüllung des Versprechens durch das Staatsdienergesetz vom 
7. März 1835 hat Verf.-Urk. & 44 seine Bedeutung verloren. 
17) Daß das die Erfüllung des Versprechens bringende Gesetz seine Ergänzung dann durch 
Verordnungen erhalten kann, versteht sich von selbst. Beispiel: Verordnung vom 7. März 1835, 
die Vollziehung einiger Bestimmungen des Staatsdienergesetzes vom gleichen Tage betreffend.
	        
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