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in Kenntnis zu setzen mit dem Hinzufügen, daß die hohen verbündeten Regierungen die Bundes-
verfassung in dieser Gestalt nach Maßgabe der in den einzelnen Ländern bestehenden Berfassungen
zur gesetzlichen Geltung bringen würden". Am 17. April gab Bismarck auftragsgemäß diese Er-
klärung ab. Damit war der Norddeutsche Bund gegründet. Um ihm für die beabsichtigte un-
mittelbare Wirksamkeit die Wege zu ebnen, mußten die Verbündeten im Wege ihrer Landesgesetz-
gebung das Nötige vorkehren. Man kam überein, daß das allgemein bis 1. Juli in Ordnung sein
solle, so daß der Bund alsdann ins Leben treten könne. In Sachsen ist das verfassungsmäßig besorgt
worden durch königliche Berordnung vom 25. Juni 1867 nach vorgängiger Zustimmung der Stände.2)
Der Norddeutsche Bund begann dann in Vollzug des Gründungsvertrags ohne weiteres mit dem
1. Juli seine Wirksamkeit.
Infolge dieser Ereignisse wurden durch verfassungänderndes Gesetz vom 3. Dezember 1868
in & 1 der Sächsischen Verfassung: „das Königreich Sachsen ist ein unter Einer Verfassung ver-
einigter, untheilbarer Staat des Deutschen Bundes“, die letzten Worte „des Deutschen Bundes“
als nicht mehr der Wahrheit entsprechend gestrichen. Dagegen ist der Satz des § 4: „der König ist
das souveräne Oberhaupt des Staates“ beibehalten worden in der Meinung, daß der Norddeutsche
Bund der Souveränität der Verbündeten keinen Eintrag tat.
Die Zusammensetzung des Bundesrates des Norddeutschen Bundes entsprach im wesentlichen
dem durch die beseitigte Bundesversammlung gegebenen Vorbild. Sachsen behielt darin die vier
Stimmen, die es im alten Plenum gehabt hatte. Seine Vertreter im Bundesrat haben die Rechts-
stellung der früheren Bundestagsgesandten. Von den 297 Mitgliedern des Norddeutschen Reichs-
tags trafen nach dem angenommenen Maßstab — einer auf hunderttausend Seelen — auf Sachsen
23. Die Reichstagswahlkreise wurden hier zum ersten Male behufs der Wahlen zum konstituierenden
Reichstag von 1867 durch die Ausführungsverordnung vom 7. Dezember 1866 festgestellt. Nach
dem Reichstagswahlgesetz vom 21. Mai 1869 sollen diese Wahlkreise überall beibehalten werden,
bis ein Reichsgesetz sie neu bestimmen wird. Auf dieses Reichsgesetz wird noch gewartet.
Zum Heere des Norddeutschen Bundes stellte Sachsen das 12. Armeekorps. Eine Militär-
konvention vom 7. Februar 1867 hatte im voraus die näheren Verhältnisse zum Bundesfeldherrn
geregelt.
Mit diesem Armeekorps hatte Sachsen seinen Anteil am französischen Kriege.3) Bei den
Novemberverträgen, welche den Norddeutschen Bund zum Deutschen Reiche erweitern sollten,
trat es nicht als selbständiger Mitwirkender hervor: die Aufnahme der Süddeutschen war nach
Art. 79 der Verfassung Bundessache, die Verträge wurden im Namen des Bundes durch das Prä-
sidium abgeschlossen und durch Bundesgesetz genehmigt. Die Rechtsstellung Sachsens ist durch
den Eintritt neuer Bundesgenossen mit mehr oder weniger ausgeprägten Reservatrechten nicht
geändert worden. Der Mangel solcher Reservatrechte ist bisher kaum fühlbar geworden.
Der einzige Machtzuwachs, welchen die Reichsverfassung ihm gebracht hat, ist in der Be-
stimmung des Art. 8 Abs. 3 zu finden: im neugebildeten Ausschuß für die auswärtigen Angelegen-
heiten, in welchem Bayern den Vorsitz führt, hat neben Württemberg auch Sachsen einen ver-
fassungsmäßig gewährleisteten Sitz. Wieviel das wert ist, läßt sich für den Nichteingeweihten schwer
bemessen.
2) Im Gesetz= und Verordnungsblatt von 1867 findet sich folgende „Verordnung die Verfassung
des Norddeutschen Bundes betreffend vom 25. Juni 1867“:
„Nachdem Unsere getreuen Stände der Verfassung des Norddeutschen Bundes, wie sie durch
den Reichstag am 16. April d. J. in Berlin angenommen worden, ihre Zustimmung, auch Unserer
Staatsregierung zur Ausführung der darin enthaltenen Bestimmungen die Ermächtigung, soweit
es einer solchen überhaupt bedarf, erteilt, so haben Wir die Publikation der gedachten Verfassung
mit der Bestimmung verfügt, daß dieselbe vom 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten soll.
Zu dessen Beurkundung haben wir gegenwärtige Verordnung eigenhändig vollzogen usw.“
Es ist klar, daß dieses keineswegs stimmt zu der Lehre, daß der Eintritt in den Bund durch Landes-
gesetz geschehen sei, noch dazu, daß die Bundesverfassung in Gestalt gleichlautender Landesgesetze
verwirklicht worden sei. Die Regierung hat sich einfach die erforderliche — „soweit es einer solchen
bedarf"! — Ermächtigung geben lassen, den Bund mit seiner Verfassung ins Werk zu setzen, und
dann gleich den mit den Bundesgenossen verabredeten Termin bestimmt, wann das anfangen soll.
3) Gemäß Reichsges. v. 25. März 1899 stellt es jetzt deren zwei.