Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

192 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. l 23. 
  
2. Die Auferlegung und Anderung von öffentlichen Abgaben gehört zu den dem 
Gesetz und der ständischen Bewilligung besonders vorbehaltenen Dingen (Verf.-Urk. § 37, 
§ 96). Auch zur Ausführung dahin gehender völkerrechtlicher Verträge kann das also nicht 
durch bloße königliche Verordnung geschehen (vgl. oben Note 9). Dementsprechend wurde 
denn auch bei Eintritt Sachsens in den Zollverein verfahren. Es erging unterm 
4. Dezember 1833 eine Verordnung, die Publikation der wegen der Zollvereinigung 
des Königreichs Sachsen mit anderen deutschen Bundesstaaten abgeschlossenen Verträge 
betr., und sodann am gleichen Tage, mit Zustimmung der Stände, das Gesetz, die in- 
direkten Abgaben betr. Dieses letztere gebot: „der Zoll usw. ist in Gemäßheit jenes Zoll- 
vertrages zu entrichten“. 11) Durch verfassungänderndes Gesetz v. 5. Mai 1851 erhielt 
aber dann der § 96 Verf.-Urk, einen zweiten Absatz: „Diejenigen Abgaben, welche zufolge 
der unter Zustimmung der Kammern mit anderen Staaten abgeschlossenen Zoll-, Steuer- 
und Handelsverträge zu erheben sind, sowie die in Gemäßheit dieser Verträge zu be- 
wirkende Erhöhung oder Herabsetzung derselben bedürfen keiner besonderen Bewilligung 
der Kammern.“ Der sehr einleuchtende Zweck ist, die handelspolitische Aktion des Zoll- 
vereins, unmittelbar wenigstens die Mitwirkung der Sächsischen Regierung dabei, schlag- 
fertiger zu machen. 15) Von nun an werden Anderungen der Zollsätze in rechtliche Wirk- 
mit der Begründung: Der König von Sachsen habe ja im Bundesbeschlusse mit zugestimmt, also 
sei dieser „als der Ausdruck des freien Willens der eigenen souveränen Staatsgewalt anzusehen“ 
(S. 63). Nun weicht allerdings der maßgebende Text der Badischen Verf.-Urk. & 2 insofern von 
der Sächsischen ab, als dort von den Bundesbeschlüssen ohne weiteres gesagt wird: sie „machen 
einen Teil des Badischen Staatsrechts aus.“ Die Frage wäre vor allem gewesen, ob denn die 
Bundesbeschlüsse unmittelbares Recht für die Untertanen der Bundesstaaten geben wollten; 
das war offenbar nicht der Fall, sonst hätten sie doch wohl auch in Bayern wirken müssen, und 
das taten sie ja nicht. Also muß diese Wirkung anderswoher dazu gebracht werden, und wenn 
die landesherrliche „Publikation“ das tut, so war sie rechtlich eine echte Verordnung. In diesem 
Sinne H. A. Zachariae, Deutsch. Staats- und Bundesrecht II S. 709; Klüber, Offentl. 
Recht S. 287 Note f. — Wenn diese Auffassung richtig ist, so muß ein solcher durch „Publikations“= 
Verordnung in Kraft getretener Bundesbeschluß von dem Landesherrn jederzeit aus freiem 
Entschlusse durch seine Verordnung wieder beseitigt werden können; für das Staatsrecht wenigstens 
wäre das maßgebend; wie er sich mit seinen Bundespflichten dann abfindet, wäre eine Sache 
für sich. In Sachsen ist das tatsächlich geschehen. So die Verordnung vom 30. März 1865 (Ges.= 
u. Verord.-Bl. S. 141); der König erklärt darin einfach, er habe beschlossen, die seinerzeit von 
ihm publizierten Bundesbeschlüsse vom 6. Juli 1854 „für den Bereich hiesiger Lande außer Wirk- 
samkeit zu setzen.“ 
14) Ges.= u. Verord.-Bl. 1833 S. 153 ff.; S. 213 ff. Das Königliche Dekret, mit welchem 
der Entwurf dieses Gesetzes den Ständen vorgelegt wurde, bezeichnet grundsätzlich das Verhältnis 
zwischen diesem und dem Vertrag mit tadelloser Richtigkeit: „Die zur Vollziehung der abgeschlossenen 
Verträge erforderlichen Anordnungen, welche, als der Gesetzgebung angehörig und in das ständische 
Bewilligungsrecht einschlagend, ständischer Beratung unterliegen, sind in dem Gesetzentwurfe 
Beil. VII (die indirekten Steuern betr.) enthalten“ (Landtagsakten 1833/34 IV. Abt. S. 270). 
15) Löbe, Der Staatshaushalt S. 6Gu. 7. — Wer die Kammerverhandlungen liest, bekommt 
allerdings den Eindruck, daß man sich damals keineswegs klar war über die Tragweite der An- 
derung, der man zustimmte. Man glaubte nicht so viel aus der Hand zu geben. Der Zollverein 
hatte als dauernder Verband Anderungen seiner Tarife durch Übereinstimmung aller Kontra- 
henten vorgesehen. Gerade diese Anderungen wollte die Regierung allein durchführen können. 
Der Minister stellte aber die Sache so dar, als verstünde sich das alles eigentlich schon so und er- 
läuterte es an dem Beispiel: es sei mit Genehmigung der Stände in einem Zollvertrag bestimmt, 
„daß der Zoll innerhalb einer gewissen Grenze sich bewegen soll,“ daß also z. B. „der Tarifsatz von 
3 bis zu 5 Tlr. erhöht werden kann“ (unseres Wissens kommt dergleichen überhaupt nicht vor); 
dann solle man nach dem vorgeschlagenen Gesetze keiner neuen ständischen Zustimmung bedürfen, 
„wenn der erste Satz zu 3 Tlr. gewählt und dann zu 4 Tlr. erhöht wird“ (Landt.-Mitteil. 1850 /51, 
2. Kamm. Bd. 3 S. 2166). Das wäre natürlich etwas ganz anderes gewesen, und dazu hätte man 
in der Tat eines verfassungändernden Gesetzes gar nicht bedurft; man konnte das schon ohnedies. 
Die Abgeordneten fühlten auch, daß es sich hier um etwas anderes handle, und suchten das Vor- 
geschlagene so zu amendieren, daß es diesen Erläuterungen des Ministers entsprach, wobei dieser
	        
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