202 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. * 24.
Für nicht eingestellte Posten und, bei den eingestellten, für das, was die eingestellte
Summe übersteigt, bleibt selbstverständlich jene Ordnungsschranke bestehen, wie sie für
alle Ausgaben bestünde, wenn gar kein Staatshaushaltsplan zur Vereinbarung gelangt
wäre. Dadurch, daß ein solcher zustande gekommen ist, verschärft sich aber bezüglich
des draußen Gebliebenen, die ungünstige Rechtslage der Regierung, insofern nun auch
ihre sachliche Verantwortlichkeit für gute Wirtschaft wächst: durch Annahme des Planes
hat sie anerkannt — auch ihrerseits natürlich nur, soweit sie in der Lage war, das
schon zu würdigen — daß das Nichteingestellte für das Staatswohl überhaupt nicht und
für das Eingestellte ein höherer Aufwand nicht erforderlich war.
Daß es sich bei Aufstellung des Haushaltplanes immer um zukünftige Verhältnisse
handelt, die nicht gleich so endgültig beurteilt werden können, wird ja gegenüber der Strenge
des formellen Rechtes immer Berücksichtigung finden müssen; wir haben schon auf An-
wendungsfälle solcher Rücksichtnahme hingewiesen.?3) Es bestehen aber auch noch be-
sondere Einrichtungen, welche dazu bestimmt sind, die Gebundenheit der Regierung zu
erleichtern:
— Es wird in jedem Haushaltsplan eine Summe für unvorhergesehene Fälle ein-
gestellt unter der Bezeichnung Reservefond. Darauf können dann ordnungsmäßig
dem Gegenstand und der Summe nach nicht bestimmte Ausgaben übernommen werden;
die Beurteilung der sachlichen Gerechtfertigtheit bleibt frei.")
— Die bewilligten Ausgabeposten sind nach Titeln bezeichnet, wo Unterabteilungen
gemacht sind (Positionen; vgl. oben Nr. 1), sind diese maßgebend. Selbstverständlich
erhöht sich bei keinem dieser Posten die verfügbare Summe dadurch, daß bei einem an-
deren Posten etwas eingespart wird. Es kann aber durch besonderen Zusatz bei Auf-
stellung des Haushaltsplanes ein solches Verhältnis zwischen bestimmten Posten hergestellt
werden, indem man sie als unter sich deckungsfähig bezeichnet. Dann bilden
diese Posten in bezug auf die ordnungsmäßige Verwendbarkeit der dafür angesetzten
Summen nur einen. 25)
— Alle bewilligten Ausgaben sind nur für die bestimmte Finanzperiode bewilligt.
Ist diese abgelaufen, so erlischt die Bewilligung. Durch einen besonderen Zusatz kann
aber bestimmt werden, daß auch eine spätere Verwendung noch zulässig sein soll. Dann
23) Möglicherweise kann die Sache noch in aller Form in Ordnung gebracht werden durch
Vorlage eines Nachtrags-Etat; Löbe, Staatshaushalt S. 25.
24) Verf.-Urk. & 106. Der den Ständen vorgelegte Regierungsentwurf hatte in § 121 einen
„stehenden Reservefond von fünf vom Hundert der gesamten jährlichen Staatseinnahmen“ ge-
fordert (Landtagsakten 1830 Bd. 3 S. 1400). Jetzt wird in jedem Haushaltsplan die Summe
besonders festgesetzt. Im Etat 1907/08 Kap. 110 beträgt sie M. 479 367.
25) Ges. vom 1. Juli 1904 § 5 Abs. 2. Die Form ist, daß unter der Gegenstandsbezeichnung
des in der Reihe zuletzt folgenden Titels mit gesperrtem Druck verfügt wird: „Titel 1 und Titel 2
sind unter sich deckungsfähig.“ Es kommt auch vor, daß zwei Titel mit einem dritten deckungs-
fähig sind, aber nicht unter sich; vgl. z. B. Etat 1907/08 Kap. 25 Tit. 7a u. 9. Bei der Verrechnung
werden die Titel nichtsdestoweniger wieder getrennt aufgeführt. — Die Titel werden in den ein-
zelnen Kapiteln nach den Gruppen: Persönliche Ausgaben und Sächliche Ausgaben geschieden; sehr
häufig findet sich dann unter der Gegenstandsbezeichnung eines Titels für Sächliche Ausgaben
die Bemerkung: „Unter diesem Titel dürfen auch persönliche Ausgaben verschrieben werden.“
Dadurch soll die der Überschrift entsprechende Ausschließlichkeit durchbrechbar gemacht werden,
insbesondere z. B. zur Bestreitung außerordentlicher Aushilfen für den Kapitelzweck. Auch die
zu enge Fassung der Bezeichnung des Gegenstandes der Ausgabe kann durch einen solchen Zusatz
gemildert werden. Die Erleichterung wirkt hier immer nur einseitig, im Gegensatze zu der gegen-
seitigen Deckungsfähigkeit.