g 24. Staatshaushaltsplan und Finanzgesetz. 205
Ohne das Finanzgesetz soll also die Regierung keine Steuern erhalten. Verf.-Urk.
*#104 schärft das noch ein: abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen „soll in den
Ausschreiben, welche Landesabgaben betreffen, die Be-
willigung der Kammern besonders erwähnt werden, ohne
welche weder die Einnehmer zur Einforderung berechtigt,
noch die Untertanen zur Entrichtung verbunden sind.“ Damit
soll selbstverständlich nicht gesagt sein, was hier wie überall gilt, daß nämlich die Steuer-
erhebung ohne das Gesetz rechtswidrig wäre. Es ist vielmehr anzunehmen, daß hier eine
persönliche Verantwortlichkeit der vollziehenden Beamten und ein Widerstandsrecht der
Untertanen aufgestellt wird (vgl. auch unten Note 32).
2. Das Finanzgesetz steht seinerseits in engem rechtlichem Zusammenhang mit dem
Staatshaushaltsplan. Es bezeichnet die „erforderlichen Deckungsmittel“, für welche die
Stände nach Prüfung der Ansätze jenes Planes gemäß Verf.-Urk. §5 97 zu sorgen haben.
Deshalb wird ihnen der Entwurf dazu zugleich mit dem des Staatshaushaltsplanes vor-
gelegt. Es ist seinem Inhalt nach das Ergebnis des letzteren: so hoch ist der Staatsbedarf,
so hoch muß demgemäß die Deckung sein.
Ordentlicherweise wird sich der Staatshaushaltsplan nach der Decke strecken, so daß
mit den bestehenden Steuergesetzen und ihren Normalsätzen auszukommen ist, aber auch
nichts davon übrig bleibt. Weicht das Ergebnis des Staatshaushaltsplanes nach der einen
oder anderen Seite hin ab, so kommt das im Finanzgesetz dadurch zum Ausdruck, daß
gegenüber den Normalsätzen der Steuergesetze Zuschläge oder Ermäßigungen
bestimmt werden. Diese Steuergesetze werden also nicht einfach so, wie sie sind, in Wirk-
samkeit gesetzt. Die Steuern erhalten zugleich eine gewisse Beweglichkeit. Nach
dem Ges. v. 3. Juli 1878 sollte dabei im Finanzgesetze so verfahren werden, daß die er-
forderlichen Zuschläge lediglich die Einkommensteuer treffen, die möglichen Ermäßigungen
dagegen der Einkommensteuer und der Grundsteuer im Verhältnisse ihres Anteils an der
Gesamtsteuerleistung gleichmäßig zugute kommen.1) Das Gesetz v. 3. Juli 1902 Art. II
läßt jetzt beiderlei Schwankungen an der Einkommensteuer allein zum Ausdruck kommen:
sie wird entweder nach den gesetzlichen Beträgen erhoben, als Normalsteuer, oder, im
günstigen Falle, nach Zehnteln herabgesetzt, oder, was der praktischere Fall ist, durch Zu-
schläge erhöht.
Aber auf alle Fälle, ob der Normalsatz unverändert erhoben werden soll oder mit Ab-
weichungen, immer ist das Finanzgesetz von den Ständen nur gewollt auf diesen
Haushaltsplan,, so wie er aus ihren Beratungen schließlich hervorgegangen und
# 3.Alle sonstigen Abgaben, Natural- und Geldleistungen, die nicht ausdrücklich aufge-
hoben sind oder noch aufgehoben werden, bestehen vorschriftsmäßig fort.
s4. Die zu außerordentlichen Staatszwecken bewilligte Summe ist aus den Beständen
des beweglichen Staatsvermögens zu entnehmen.
#5. Durch das gegenwärtige Gesetz erledigen sich ös 1 und 3 des Gesetzes, die vorläufige
Erhebung der Steuern und Abgaben im Jahre 1908 betr., vom 11. Dezember 1907.“
31) Fricker, Grundriß, S. 227, tadelt, daß das Gesetz von 1878 nicht in Form eines Ver-
sassungsgesetzes erlassen worden sei, da es ja die „periodische Ordnung des Budgets“ betreffe.
Das ließe sich aber am Ende von jedem Steuergesetze sagen. Ebensowenig wird die daran geknüpfte
Bemerkung zutreffen: nach diesem Gesetze, das die Stände so bindet, könne man „von einem be-
sonderen ständischen Steuerbewilligungsrechte materiell kaum mehr reden“. Aber das „Materielle“
ist ja, daß die Bewilligung gerade auf diesen Haushaltsplan mit allen seinen Einzelausgaben ge-
schieht und auf keinen anderen. Dieser Zusammenhang darf nie übersehen werden.