Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

208 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 8 24. 
  
sondere Formen sind hier nicht vorgeschrieben. Die Verordnung wirkt auf ein Jahr, 
äußerstens. 37) 
Die besonderen Kautelen, welche die Verf.-Urk. hier noch hinzufügt, sind zum Teil 
selbstverständlich: Steuern, die ausdrücklich nur für einen vorübergehenden bereits erreichten 
Zweck bestimmt sind, dürfen natürlich für die neue Finanzperiode nicht provisorisch weiter 
erhoben werden; die Unmöglichkeit, die Kammer rechtzeitig zusammenzubringen, muß 
vor dieser nachträglich gerechtfertigt werden; die Steuerausschreibung geschieht „vor- 
behältlich der Bewilligung des Ausgabebudgets“. — Das letztere gilt auch für den Fall, 
daß ein Gesetz über provisorische Steuererhebung ergangen ist.#s) 
Die Verf.-Urk. schärft die Einhaltung der Rechtzeitigkeit für Vorlage des Staats- 
haushaltsplanes und Einberufung des Landtags so kräftig ein, daß es wie eine Bedingung 
der Zulässigkeit der Steuerforterhebung aussieht. 35) Es wird aber richtiger nur als eine 
Androhung persönlicher Verantwortlichkeit der Minister aufzufassen sein. Forterhoben 
können die Steuern auf alle Fälle werden. 
— Verf.-Urk. § 105 sieht noch den Fall vor, daß „in außerordentlichen, dringenden und 
unvorhergesehenen Fällen schleunige finanzielle Maßregeln erfordert werden, zu welchen 
die Zustimmung der Stände notwendig ist“. Der Fall, der vor allem ins Auge gefaßt ist, 
ist die Aufnahme eines Anlehens; die Ausdrucksweise geht aber darüber hinaus. Dann 
sollen die Stände berufen werden, und wenn es nicht möglich ist, sie rasch genug zusammen- 
zubringen, darf der König „das zur Deckung des außerordentlichen Bedürfnisses unum- 
gänglich Notwendige provisorisch verfügen“. Bei dem nächsten ordentlichen Landtage ist 
dann die nachträgliche Genehmigung einzuholen. Staatsgutsveräußerungen, Anlehen-- 
aufnahme und sonstiges aus dem Bereiche des ständischen Bewilligungsrechtes 
gehören hierher. Man nimmt an, daß auch Steuern auf solche Weise auferlegt werden 
können. 10) Dabei wird es sich aber wohl nur um Ausschreibung nachträglicher Zuschläge 
zur Einkommensteuer handeln können. Sollen Steuern auf neuer Grundlage erhoben 
werden, wie sie ein selbständiges Steuergesetz zu liefern hätte, so würde das in das Gebiet 
der Notverordnung gehören, deren Regeln dann auch zu beobachten wären; vgl. oben 
822, INr. 3. 
37) Ordentlicherweise erlebt die Verordnung das Ende dieses Jahres nicht, sondern wird 
abgelöst durch das dazwischen kommende richtige Finanzgesetz; vgl. in dem oben Note 30 gegebenen 
exte den § 5. 
38) Zum Unterschied von dem Falle, wo der Staatshaushaltsplan nicht zustande kommt, 
stellt hier die Regierung einen den besonderen Verhältnissen angepaßten Plan nicht auf (vgl. oben 
Note 18). Es wird einfach wie mit den alten Steuern, so mit dem alten Staatshaushaltsplan einst- 
weilen fortgewirtschaftet. Dieser gilt „gewissermaßen als Normaletat“ (Löbe, Staats- 
haushalt S. 51). 
39) Verf.-Urk. § 103 nach Ges. vom 27. Nov. 1860 § 2 unter a: der Landtag muß 7 Wochen vor 
Ablauf der Bewilligungsfrist einberufen sein, ein Gesetz über vorläufige Steuererhebung alsbald 
vorgelegt, aber bis 14 Tage vor Ablauf der Bewilligungsfrist noch nicht genehmigt worden sein. 
Dieser Formalismus ist auf die ordentliche Vorlage von Staatshaushaltsplan und Finanzgesetz 
nicht zu übertragen. 
40) Opitz, Staats-R. II S. 127. Verf.-Urk. § 96 nennt unter den Fällen, wo ausnahms- 
weise auch ohne Zustimmung der Kammern Steuern erhoben werden können, auch unseren § 105 
(5 8 des Ges. vom 5. Mai 1851). Bei den Kammerverhandlungen, Landtagsakten 1850/51 Beil. 
2. Abt. 1. Bd. S. 317, worauf Opitz a. a. O. Note 15 sich beruft, erklärte man es für unrichtig, 
für den Fall des § 105 eine solche Ausnahme anzuerkennen; denn dieser habe „überhaupt nicht 
das Ausschreiben von Landesabgaben zum Gegenstande, sondern nur schleunige finanzielle Maß- 
regeln, namentlich die Aufnahme von Anlehen.“ Da die Verweisung gleichwohl stehen geblieben 
ist, muß auch die Zulässigkeit der Steuerausschreibung angenommen werden.
	        
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