Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

gß 25. Die Staatsschuldenkasse. 213 
  
durch in die Lage gesetzt, daß sie durch die Art, wie sie dabei vorgehen, dem Geschäfts- 
herrn den größten Schaden verursachen können. Sie stehen in keinem privatrechtlichen 
Pflichtverhältnis. Sie stehen auch nicht im öffentlichen Dienst; das öffentlichrechtliche 
Auftragsverhältnis, in das sie als Deputationsmitglieder getreten sind, erzeugt als solches 
keine Haftung auf Schadensersatz im Falle der Nichterfüllung der damit ver- 
bundenen Pflichten. Ein Schadensersatzanspruch würde dem Verletzten nur dann gegen 
sie begründet werden, wenn, unabhängig davon, die Voraussetzungen einer Haftung 
für unerlaubte Handlungen nach den Regeln des B. G. B. ge- 
geben wären. Der Verletzte wäre hier der Staat. Die Haftung würde natürlich nicht durch 
den König selbst geltend gemacht, sondern durch die Leute, die von ihm mit Vertretung 
des Fiskus betraut sind; keinesfalls durch die Stände, denn diese vertreten den Fiskus 
nicht.1) 
— Die Mitglieder haben nicht, wie bei einer gewöhnlichen Deputation, bloß vorbereitet, 
was die Gesamtheit beschließen soll; in diesen Fällen geben die Stände ihren Beifall oder 
das Gegenteil ausreichend zu verstehen, indem sie zustimmen oder nicht. Sondern sie 
haben vollendete Tatsachen geschaffen, denen die Stände gegenüber stehen mit der Mög- 
lichkeit sie zu mißbilligen, ohne daß sie dadurch von selbst ungeschehen wären. Die Miß- 
billigung bleibt dann an den Männern hängen, welche das Vertrauen ihrer Kollegen so 
getäuscht haben. Die Gelegenheit zu solchen Kundgebungen bietet die Rechnungslegung 
des Landtagsausschusses.:) Es ist das richtige Seitenstück der parlamentarischen 
Verantwortlichkeit des Ministers (dogl. unten §5 26, 1 N. 1). Diese 
zweite Art von Verantwortlichkeit deckt sich mit der ersten weder in ihren Mitteln noch 
—. 
21) Die Haftpflicht der Ausschußmitglieder wäre ja eine Doktorfrage. Aber wir können doch 
nicht ganz daran vorbeigehen. Opitz, Staats-R. II S. 143, statuiert schlechthin eine „zivil- 
rechtliche Verantwortlichkeit". Nach dem Zusammenhange versteht er darunter wohl eher eine 
„Haftung mit dem Vermögen“, die ja auch öffentlichrechtlich sein könnte. Das B. G.B. hat die 
Frage der Haftung der Beamten dem Staate gegenüber unberührt gelassen, da „es sich um eine 
Frage des öffentlichen Rechtes handelt“ (Planck, B. G. B., Einf.-Ges. Note 1 zu Art. 78). Das 
trifft ja natürlich bei der Stellung dieser Ausschußmitglieder erst recht zu. Es gälte also Landesrecht. 
Wenn aber das Landesrecht öffentlichrechtliche Normen für diesen Fall nicht enthält? Es wäre 
sehr wohl denkbar, daß man in Sachsen vor dem B. G. B. versucht hätte, die Tätigkeit der Ausschuß- 
mitglieder unter die Gesichtspunkte der „Geschäftsführung vermöge Auftrags“ im Sinne der 
Bestimmungen des Sächsischen B.G.B., § 1295 ff. zu bringen, etwa mit der so oft gebrauchten 
Rechtfertigungsformel: diese Bestimmungen müßten naturgemäß auch für das öffentliche Recht 
Geltung haben, seien also gemeinsam. Daraus ergäbe sich dann auch die fortdauernde Anwend- 
barkeit der §§s 1302, 728 u. 729 dieses Gesetzbuches und somit die Haftung für jeden Schaden, der 
dem Geschäftsherrn absichtlich oder durch grobe Fahrlässigkeit zugefügt würde. Es würde das aber 
doch m. E. nur auf eine Umgehung des E.G. zum B. G. B., Art. 55 hinauslaufen: es sind und 
bleiben eben doch zivilrechtliche Bestimmungen, die unter der Verkleidung als öffentlichrechtliche 
gerettet werden sollten. Demnach wird nichts anderes übrig bleiben, als sich ganz auf den Boden 
des B.G.B. und seiner Bestimmungen über „Unerlaubte Handlungen“ zu stellen. Wir müssen 
dabei freilich darauf verzichten, die Haftung auf die besonderen Pflichten und die besonderen Rechts- 
vorschriften zu gründen, die hier bestehen; das öffentlichrechtliche Rechtsverhältnis ist zivilrechtlich 
unfruchtbar. Wenn wir aber von ihm absehen, finden wir hinter ihm das hier durch keine Sonder- 
bestimmung ausgeschlossene gemeine Zivilrecht von selbst, ohne daß es einer besonderen Verweisung 
bedürfte, wie Laband, Staats-R. I S. 447 sie für Preußen aus A.L. R. II 10 5K 90 ziehen 
möchte. Es käme also vor allem in Betracht: Haftung wegen schuldhafter Schädigung unter Verstoß 
gegen ein Strafgesetz (§ 823 Abs. 2) und wegen vorsätzlicher Schädigung unter Verstoß gegen die 
guten Sitten. Damit müßte man auskommen können. 
22) Die Rechnungen des Landtagsausschusses werden den Kammern gerade so vorgelegt wie 
die der Regierung. Nach ihrer Richtigsprechung wird dann ein „Justifikationsschein“ für den Land- 
tagsausschuß ausgestellt, über den die Kammern beschließen (Landtagsakten 1903/04, Mitteil. 
d. I. Kamm. 1 S. 218, 465, d. II. Kamm. II S. 1428, 1504).
	        
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