Object: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

214 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. l"26. 
  
in ihrem Umfang: sie kann auch Platz greifen, wenn der Staat durch schlechte Behandlung 
seiner Gläubiger geradezu einen Vermögensvorteil erlangt hätte. Daß es dem König 
unbenommen beleibt, auch seinerseits eine Mißbilligung auszusprechen, ist wohl selbst- 
verständlich. 35 
8§ 26. Rechtsverfahren zur Gewähr der Verfassung. Der oberste Hüter der Ver- 
fassung ist der König. Im Verfassungsgelöbnis hat er in feierlicher Weise 
versprochen, die Verfassung zu schützen (vgl. oben § 10, 1 Nr. 2). Als Oberhaupt des 
Staates verfügt er über die dazu erforderliche Macht. Die Verf.-Urk. § 139 hat außerdem 
eine „Gewähr der Verfassung“ gesucht in dem Untertanen= und Staats- 
dienereid, bezüglich dessen sie vorschrieb: er sei, „auch auf die Beobachtung der 
Landesverfassung zu richten“ (vgl. oben §7 Note 13). Dem gleichen Zwecke dient die in 
Verf.-Urk. §+152 angeordnete Erschwerung von Verfassungsänderungen auf 
dem allein dazu führenden Wege der Gesetzgebung (vgl. oben #&21, S. 168). 
Das rechtlich Bedeutsamste, was die Verf.-Urk. in ihrem VIII. Abschnitt unter der 
Überschrift: „Gewähr der Verfassung“ für diesen Zweck besonders eingerichtet hat, besteht 
aber in gewissen geordneten Verfahrensarten, in welchen die 
Stände berufen sind aufzutreten, um mit dem König oder 
gegen ihn zum Schutz der nach ihrer Ansicht verletzten oder 
mißverstandenen Verfassung wirksam zu sein. 
Sie sind sämtlich bestimmt, womöglich nicht zur Anwendung zu kommen, und haben 
bis jetzt auch tatsächlich keine Gelegenheit dazu gefunden. Sie erfüllen ihren Zweck da- 
durch, daß sie bereit stehen und eben dadurch beim Volke ein gewisses Gefühl der Sicherheit 
hervorbringen. 
I. Solcher Rechtsverfahren zur Gewähr der Verfassung sind es drei: die Ver- 
fassungsbeschwerde (Verf.-Urk. & 140), die Ministeranklage (Verf.-Urk. § 141 bis § 151) 
und das Verfahren zur Entscheidung streitiger Verfassungsauslegung (Verf.-Urk. § 153). 
Je zwei von ihnen fallen unter gemeinsame Gesichtspunkte und gruppieren sich danach 
zusammen; die Ministeranklage gehört beiden Gruppen an. 
1. Die Verfassungsbeschwerde wie die Ministeranklage sind Formen der Geltend- 
machung der Ministerverantwortlichkeit. Das Auslegungsverfahren hat 
nicht diese persönliche Spitze. 
Die Minister sind Staatsbeamte und als solche wegen ihrer Amtsführung dem Staate 
verantwortlich — dienstrechtlich, strafrechtlich, zivilrechtlich. Diese Verantwortlichkeit wird 
vor allem vom Oberhaupt des Staates, vom König selbst geltend gemacht oder in 
seinem Namen durch die Beamten der Justiz oder der Finanzverwaltung. Das 
letztere wird naturgemäß nicht wohl anders stattfinden, als so daß der König selbst schon 
dienstrechtlich eingeschritten ist durch Entlassung, oder daß das Amt freiwillig niedergelegt 
wurde. Die Verantwortlichkeit dem Könige gegenüber steht also überall weit im Vorder- 
grund. 
Daneben nun sind nach Verf.-Urk. & 141 auch die Stände befugt, diese Verant- 
23) Eine „disziplinelle“ Verantwortlichkeit wird von Opitz, Staats-R. II S. 143 mit Recht 
verworfen. Dagegen will er, übereinstimmend mit Oppenhof, Komm. z. Stf. G. B. Anm. 41 
u#(359, eine besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen „Vergehens im Amte“ annehmen. 
llein die Ausschußmitglieder können nicht als „im Dienste eines Bundesstaates angestellte Per- 
sonen" betrachtet werden, wie der § 359 des Stf.G. B. voraussetzt.
	        
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