Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

26. Rechtsverfahren zur Gewähr der Verfassung. 219 
  
Gericht übertragen sein. Was in Verfolg dieses Ausspruches dann weiter vorzukehren 
ist: Rückgängigmachung des Geschehenen, dienstliches oder strafrechtliches Einschreiten 
gegen den Schuldigen, vermögensrechtliche Haftbarmachung, das bleibt alles der weiteren 
Verfügung vorbehalten. 1:) Der König kann sofort das Nötige selbst anordnen und den 
Ständen Mitteilung machen, daß er das getan. Er kann auch sich begnügen, Auftrag zu 
geben, daß die Sache im Sinne der getroffenen Entscheidung zu weiterer Erledigung 
gebracht werde. Dabei ist zu beachten, daß die Verfassungsbeschwerde beim König keine 
neuen Zuständigkeiten auslöst, die nicht ohnehin beständen. Neu ist nur die Aufgabe des 
Gesamtministeriums, ihn dabei mit einem Gutachten zu unterstützen, und die Zuständig- 
keit des Oberlandesgerichts zur Vorentscheidung im Hauptpunkt. Nach außen, den Mi- 
nistern und den anderen Behörden gegenüber, geschieht nur, was auch bei der einfachen 
Beschwerde wegen Pflichtwidrigkeit nach Verf.-Urk. § 110 geschehen könnte. 
2. Die Ministeranklage (Verf.-Urk. & 141 bis 151).13) Die Voraussetzungen 
der Ministeranklage sind die nämlichen, wie die der Verfassungsbeschwerde. Verf.-Urk. 
&+141 Abs. 1 spricht hier allerdings nur von „Vorständen der Ministerien, welche sich einer 
Verletzung der Verfassung schuldig machen“, nicht auch von der Verletzung durch andere 
Behörden. Aber die Minister verletzen selbst die Verfassung, wenn sie nicht einschreiten, 
wo sie es könnten, gegen die Verletzung, die ihre Untergebenen begehen, und die Ver- 
letzung durch die Untergebenen führt auch zur Verfassungsbeschwerde nur dann, wenn 
sie dem Minister zugerechnet werden kann. So stimmt also schließlich beides überein. 
Notwendig ist ferner auch hier ein gemeinsames Vorgehen beider Kammern des Land- 
tages. 
Die Eigenart der Ministeranklage liegt im Verfahren und in dem dadurch zu erzie- 
lenden Rechtserfolg. 
Das Verfahren ist durch das Ges. v. 3. Februar 1838 ausführlich geordnet. Es hat 
die Gestalt eines vor dem Staatsgerichtshofe zu führenden Prozesses, in welchem 
die Stände als Ankläger auftreten, der Minister als Angeklagter sich verteidigt. 12) Es 
ist schriftlich. 
Die Erhebung der Anklage geschieht durch die Einreichung der „Anklageschrift“ beim 
Präsidenten des Staatsgerichtshofs. Diese wird durch übereinstimmende Beschlüsse beider 
Kammern festgestellt; sie hat die Anklagepunkte bestimmt zu bezeichnen und die Beweis- 
mittel anzugeben. 15) Der Angeklagte wird dann zu einer „Beantwortung der Klage“ 
veranlaßt. Zur „Leitung der zu führenden Untersuchung“, vor allem zur Sammlung und 
Ordnung von Beweisen und zu sonstiger aufklärender Vorarbeit bestellt der Präsident 
je ein rechtskundiges Mitglied aus beiden Seiten des Gerichtshofes.1) Die Stände 
werden im. Verfahren durch einen gemeinsamen Anwalt vertreten; um ihn durch Mehr- 
12) Opitz, Staats-R. IIS 244; Fricker, Grundriß S. 254. 
13) Für dieses Verfahren hat, wie für die Bildung des Staatsgerichtshofs, die Württemb. 
Verf.-Urk. § 195 ff., das Vorbild geliefert. — Man nennt hierzu die Monographie von Beschor- 
ner, die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Kgr. Sachsen 1877. Thudich- 
um, in Annalen des Deutsch. Reichs 1885 S. 648 Note 3, sagt von ihr: sie sei „bloß populären 
Inhalts“. Sie ist wertlos. 
14) Ges. vom 3. Febr. 1838, das Verfahren in den an den Staatsgerichtshof gelangenden 
Sachen betr. & 2: „nach den Grundsätzen des Anklageprozesses.“ 
15) Verf.-Urk. & 141; Ges. vom 3. Febr. 1838 F 24. 
16) Verf.-Urk. § 146; Ges. vom 3. Febr. 1838 F 34. 
 
	        
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