234 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. 28.
Inzwischen ist aber das Staatsdienergesetz auch noch verdrängt worden aus seiner
ausdrücklich vorbehaltenen Anwendbarkeit auf Beamte der Militärjustiz und Militär-
verwaltung (5F 2 Ziff. 8), ebenso wie bezüglich der Post= und Telegraphenbeamten. Diese
alle hat mit Rücksicht auf ihre reichsverfassungsmäßige Gehorsamspflicht gegenüber dem
Kaiser das Reichsbeamtengesetz v. 31. März 1873 für seine Ordnungen in Anspruch ge-
nommen.))
Von all diesen Besonderheiten kann aber hier abgesehen werden. Staatsrechtlich
von Bedeutung ist allein das Beamtentum, welches das Menschenmaterial liefert zum
Aufbau der allgemeinen Behördenordnung in Justiz und Verwaltung. Und dieses erfaßt
das Staatsdienergesetz von 1835 vollständig. Wir halten uns daher an seine Bestim-
mungen allein, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Anderungen, welche sie seither
erfahren haben.
I. Das Staatsdienstverhältnis wird begründet durch die Anstellung.
Diese ist ein Willensakt der Staatsgewalt, dessen Gültigkeit bedingt ist durch die Ein-
willigung des Angestellten. Daß diese Voraussetzung, wie alle übrigen Voraussetzungen
seiner Gültigkeit, gegeben sei, bezeugt aber der Akt dadurch allein schon, daß er er-
lassen wird. Die Einwilligung wird nirgends förmlich dabei beurkundet; was erscheint
zu sagen: Staatsdiener sei der engere, Staatsbeamter der weitere Begriff; Opitz, Staats-R. 1.
S. 242 Note 1. Man mag das auch, wie Opitz es tut, so ausdrücken, daß „Staatsdiener nur die-
jenigen von den Staatsbeamten sind, welchen der Staat diese Eigenschaft beilegt.“ Denn die Ab-
grenzung ist in der Tat das besondere Werk des Gesetzes. Opitz versteht das aber nicht so; er
meint damit, daß die Regierung einem einzelnen oder einer ganzen Klasse von Beamten die Staats-
dienereigenschaft nach ihrem Ermessen gewähren oder versagen könne und folglich über den An-
wendungskreis des Staatsdienergesetzes entscheide. Das ist dem Gesetzestexte gegenüber falsch,
entsprach aber dem früheren Brauch. Nachdem die Stände den Zusatz abgelehnt hatten, der die
Regierung zur Ausdehnung des Gesetzes ermächtigen sollte loben Note 7), konnte niemand zum
Staatsdiener gemacht werden, auf den die Begriffsbestimmung des Gesetzes nicht paßte. Wohl
aber hatte sich die Ubung herausgebildet, daß — um Pensionen zu ersparen — weiten Schichten
von Beamten die Staatsdienereigenschaft „vorenthalten“ wurde; Eisenbahnbeamte, Waldwärter,
Straßenwärter usw. wurden bis 1897 neben dem Staatsdienergesetz angestellt, als „Staats-
beamte ohne Staatsdienereigenschaft“. Erst infolge des Reichsgesetzes über Invaliditäts= und
Altersversicherung vom 22. Juni 1889 sah man sich genötigt, Ordnung zu schaffen und „allen
Staatsbeamten, auf welche die Begriffsbestimmung in § 1 des Ges. vom 7. März 1835 paßt, die
Staatsdienereigenschaft zu verleihen“ (Allg. Erläuterungen z. Staatshaushalts-Etat 1896/97,
Landt.-Akten 1895/96, Kgl. Dekret 2 XIII, S. 27 ff.). In Wahrheit war das keine „Verleihung“,
sondern eine endliche Anerkennung und Durchführung dessen, was bereits Rechtens war. Die
vorher öfters vorgekommenen „Verleihungen der Staatsdienereigenschaft“ in Einzelfällen be-
deuteten immer nur den Vollzug des Gesetzes, wo er bisher unterblieben war. Die Anderung geschah
nicht durch neue Rechtsbestimmungen (Gesetz oder Verordnung): man beschloß einfach, die Praxis
zu ändern, und die Stände wurden damit nur befaßt wegen der Nachwirkung auf den Staatshaushalt.
— JFetzt ist also alles Staatsdiener, was im öffentlichen Dienste des Staates angestellt ist, soweit
nicht, wie gesagt, das Gesetz seine besonderen Ausnahmen macht. Der Name Beamter umfaßt
auch das Ausgeschlossene. In diesem Sinne bezeichnet z. B. das Ges. vom 16. Juli 1902 die Ge-
währung von Wohnungszuschüssen betr., als „Beamte im Sinne dieses Gesetzes“ (§ 2) zusammen-
fassend: „die Staatsdiener, ingleichen die Geistlichen, die Lehrer, die Professoren und die dauernd
angestellten Beamten und Bediensteten der Universität.“ Eine Verleihung der Staatsdiener-
eigenschaft kann jetzt nur noch in dem Sinne vorkommen, daß solche Diener, welche bisher in privat-
rechtlichem Kontraktverhältnis zur Staatsverwaltung standen (Staatsdienerges. § 2 Ziff. 2), in
das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis übergeführt werden. Ausfertigung einer Bestallung ist
VeiFr bafür, vgl. z. B. Landt.-Akten 1907/08, Kgl. Dekrete Bd. 2, Allg. Erläuterungen,
· .5.
9)Laband,Staats-R.1S.4l6.WärendievomKönigzuernennendenPostbeamten
nicht unter das R. B. G. gestellt, so würden sie gleichwohl nicht mehr von selbst unter das sächsische
Staatsdienergesetz fallen, sofern sie eben kein „jährliches Einkommen aus der (sächsischen) Staats-
kasse“ beziehen; an solche Verhältnisse hat man beim Staatsdienergesetz noch nicht gedacht. Sie
wären sächsische Staatsbeamte im weiteren Sinne.