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in Sachsen dem ganzen Verwaltungsbeamtentum ein Recht am Amte versagt. In der
Wirklichkeit erhält auch hier das freie Belieben sein Maß durch das umständliche Verfahren,
durch die Kostspieligkeit des unnützen Wartegeldbezugs und vor allem durch die schonende
Art, mit welcher derartige Dinge in Sachsen gehandhabt zu werden pflegen.
8 29. Ministerium und Staatsrat. Der vierte Abschnitt der Verf.-Urk., überschrieben
„Bon dem Staatsdienste“, gibt genauere Bestimmungen nur bezüglich des Ministeriums
und kennzeichnet dadurch dessen einzigartige Stellung. Das Ministerium bildet die Brücke
von dem unverantwortlichen Träger der Staatsgewalt zu der notwendig verantwortungs-
vollen Besorgung der Staatsgeschäfte. Durch das Ministerium allein führt deshalb auch
für diesen der Weg zu staatsrechtlich bedeutsamer Tätigkeit. Und andererseits ist das
Ministerium allein der Punkt, den die Volksvertretung mit ihren verfassungsmäßigen
Befugnissen zur Überwachung der Staatsregierung und ihrer Leute zu fassen vermag
(vgl. oben § 26, I Nr. 1). Hier handelt es sich also um das weitaus wichtigste Staats-
amt, dessen Bedeutung auch die Zukunft eher noch steigern als vermindern wird.
Verf.-Urk. § 41 spricht von den sechs Ministerialdepartements und ihren
den Ständen verantwortlichen Vorständen (Abs. 1); diese bilden dann das Ge-
samtministerium (Abs. 2) und mit Zuziehung anderer „Personen“ wird aus
diesem endlich der Staatsrat gebildet (Abs. 4). In vierfacher Stufenfolge entfaltet
sich also das Amt.
1. Die Minister sind die verfassungsrechtlich notwendigen obersten Gehilfen des
Königs zur Besorgung der Staatsgeschäfte.1) Indem die Verf.-Urk. 541 sie als die Vorstände
der Ministerialdepartements bezeichnet, schließt sie „Minister ohne Portefeuille“ aus.2)
Jeder Minister hat also die Oberleitung des durch sein „Departement“ bezeichneten staat-
lichen Geschäftskreises. Für die pflichtgemäße „Dienstleistung“ ist er dabei verantwortlich,
wie jeder Staatsdiener — dieses jedoch mit bedeutsamen Verschärfungen:
— Einmal insofern, als eben nur ihm gegenüber diese Verantwortlichkeit unmittelbar
auch von der Volksvertretung geltend gemacht werden kann.#)
— Sodann auch insofern, als für ihn eine ganz eigene Art der Begründung der Ver-
antwortlichkeit besteht, die durch Gegenzeichnung.
Damit verhält es sich folgendermaßen:
Alle „Verfügungen in Regierungsangelegenheiten“, welche der König unterzeichnet,
bedürfen zu ihrer Rechtsverbindlichkeit der Gegenzeichnung eines Ministers.") Dabei ist
1) Um nicht ganz hinter dem Ministerium zu verschwinden, hat der König sich eine noch un-
mittelbarere Gehilfenschaft vorbehalten; Verord. die Einrichtung der Ministerial-Departements
betr., vom 7. Nov. 1831 & 3: „Da es einem Jeden auch ferner freistehet, Vorstellungen an Uns
unmittelbar zu richten, so sind solche bei der deshalb zu bestellenden Kabinetskanzlei ein-
zureichen.“ Der Kabinetssekretär und der Kanzleibote sind etatsmäßige Staatsdiener; aber sie
haben keine verfassungsrechtliche Bedeutung.
2) Die Verordnung, die Einrichtung der Ministerial-Departements betr., vom 7. Nov. 1831,
erwähnt allerdings neben den „Vorständen der einzelnen Departements“" noch die „etwa auch
ohne besonderes Departement ernannten verantwortlichen Staatsminister“. Das widerspricht
der Verf.-Urk. (in diesem Sinne Fricker, Grundriß, S. 111), ist auch unvereinbar mit den Be-
stimmungen, welche Staatsdienerges. §& 9 für die Minister gibt; also ist dieser Vorbehalt ungültig.
Tatsächlich wird nicht davon Gebrauch gemacht.
3) Vgl. oben §& 18, II Nr. 5 u. 526, I Nr. 1.
4) Verf.-Urk. § 43: „Eine solche mit der erforderlichen Kontrasignatur nicht bezeichnete Ver-
fügung ist als erschlichen zu betrachten und daher unverbindlich.“ Das Vorbild scheint hier die
Braunschweigische Verord. vom 25. April 1820 geliefert zu haben. Es ist die alte respektvolle Formel
für die Ungültigerklärung der Akte von Hochstehenden. — Die Verfassungsentwürfe enthielten