Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

252 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. g 29. 
  
also vorausgesetzt, daß sich für alle derartigen Verfügungen des Königs die Notwendigkeit 
der Schriftform von selbst versteht. Als Verfügungen in Regierungsangelegenheiten 
sind nicht anzusehen Rechtsakte, in welchen der König als Privatperson handelt, Anord- 
nungen, die in Ausübung der dem Könige zustehenden Hausgewalt ergehen, und alles, 
was ins Gebiet des militärischen Kommandos gehört.55) 
Der Minister, welcher die Gegenzeichnung gibt, soll natürlich in der Lage sein, die 
Tragweite der Verfügung zu übersehen. Bei der durchgeführten Scheidung in Fachmini- 
sterien wird daher jedesmal der Minister als berufen gelten, in dessen Fach die Verfügung 
einschlägt. Für einen anderen kann das ein Grund sein, die Gegenzeichnung zu verweigern. 
Zur Wirksamkeit der Verfügung genügt aber die Gegenzeichnung irgendeines Ministers.#) 
Schlägt die Verfügung gleichzeitig in mehrere Fächer ein, so pflegen alle dadurch berufenen 
Minister gegenzuzeichnen; für die Gültigkeit genügt auch hier einer. Ausnahmsweise 
verlangt die Verf.-Urk. Gegenzeichnung mehrerer oder sämtlicher Minister;) dann ist 
das als eine verschärfte Bedingtheit der Rechtsverbindlichkeit der Verfügung anzusehen. 
In allen Fällen erfüllt jeder Minister, der gegengezeichnet hat, für sich allein oder 
mit anderen, die verfassungsmäßige Bedingung der Rechtswirksamkeit der Verfügung 
und ist deshalb gerade so verantwortlich für sie, als hätte er sie selbst erlassen.s) 
— Endlich haftet der Minister auch darüber hinaus noch für die Mißgriffe an- 
derer, sofern er es an der nötigen Gegenwirkung hat fehlen lessen. Wie 
er in solcher Weise für seine Untergebenen einstehen muß,) so hat er auch den ihm an- 
vertrauten Verwaltungszweig zu verteidigen gegen jede Beeinträchtigung seines dem 
Gesetz und dem Staatswohl entsprechenden Ganges, die ihm bereitet werden kann durch 
Handlungen oder Unterlassungen seiner Kollegen oder des Königs selbst: er wird verant- 
wortlich, wenn er in dieser Hinsicht seine Stellung nicht wahrnimmt oder sie beibehält, 
obwohl er zu schwach ist, sich durchzusetzen. 10) 
Auf dieser ausgedehnten Verantwortlichkeit ruht die große Bedeutung des Minister- 
nichts dergleichen. Der Entwurf Carlowitz, 5 68, bestimmte sogar ausdrücklich nur, daß der 
kontrasignierende Departements-Chef dadurch „dem Könige besonders persönlich verantwort- 
lich" werde. Auch die Stände haben nichts der Art beantragt. Erst bei der Schlußredaktion durch 
die Regierung ist die scharfe Bestimmung in die Verf.-Urk. hineingekommen. 
5) Die in der Lehre des Deutschen Staatsrechtes aufgetauchten Streitfragen über den Um- 
fang, in welchem Gegenzeichnung erforderlich ist (ogl. G. Meyer-Anschütz, Deutsch. Staats- 
R. S. 248 ff.) gelten auch für Sachsen. Eigenartiges Recht ist in dieser Hinsicht nicht ausgebildet. 
Insbesondere kann nicht behauptet werden, daß die Minister-Ernennung der Gegenzeichnung 
nicht bedürfte, weil der König diese nach Staatsdienerges. § 4 „nach eigner freier Entschließung“ 
vornehmen soll (so Opitz, Staats-R. 1 S. 166). Das Staatsdienergesetz vermochte, selbst wenn 
die es Absicht gehabt hätte, die Vorschrift der Verf.-Urk. nicht zu durchbrechen. 
6) Verf.-Urk. §& 43: „müssen von dem Vorstand eines Ministerial-Departements, welcher 
bei der Beschlußfassung wirksam gewesen ist . kontrasigniert werden“. A. M. Opitz, Staats- 
R. I S. 160 Note 5. 
7) Mindestens drei Minister müssen gegenzeichnen, wenn es sich um „geheime Ausgaben“ 
handelt (Verf.-Urk. § 99 Abs. 2; vgl. oben § 24, 1 Nr. 2). Sämtliche Minister werden verlangt 
zur Gegenzeichnung der Notverordnung (Verf.-Urk. 3 88 Abs. 2; vgl. oben § 22, I Nr. 3). 
8) v. Frisch, Die Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten Magistrate S. 329, drückt 
das, vielleicht ein wenig zu scharf, so aus: „Die Gegenzeichnung erhebt nach geltendem Rechte 
den persönlichen Willen des Staatsoberhauptes zum staatlichen Willen, sie schafft den Regierungs- 
akt.“ Daraus folgt erst, wie er richtig betont, die Verantwortlichkeit des Gegenzeichnenden 
(S. 21). Nach der Sächsischen Verf.-Urk. ist dieser Zusammenhang besonders deutlich. Wo man 
ihn zerreißt, wird eine widerliche Prügeljungentheorie daraus. 
9) Vgl. oben § 26, II Nr. 1 u. 2; 5 18, II Nr. 5. 
10) Die richtige Abgrenzung der Verantwortlichkeit des Ministers ist nicht bloß bedeutsam 
wegen des Rechtes der Stände, diese geltend zu machen, sondern auch wegen des Rechtes des
	        
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