Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

29. Ministerium und Staatsrat. 253 
  
  
amtes. Dem entsprechen auch gewisse Besonderheiten, welche gegenüber dem allgemeinen 
Staatsdienerrecht hier zu Geltung kommen. 
Beim Minister ist die erste und wichtigste Eigenschaft, daß er der Mann des Vertrauens 
des Königs sein muß. Daher hat der König bei der Ernennung vollständig sreie Hand: 
er ist an keine Anstellungsbedingungen gebunden und die für Verwaltungsbeamte sonst 
vorgeschriebene zweijährige Widerruflichkeit gilt bei dieser Anstellung nicht. 11) Dafür 
kann der König den Minister jederzeit frei entlassen. Unter dieser Entlassung ist aber nur 
die Quieszierung, die einstweilige Versetzung in Ruhestand, gemeint. 11) Sie kann 
beim Minister formlos geschehen. Das Wartegeld beträgt beim Minister nur drei Fünftel 
statt sieben Zehntel des Diensteinkommens. Der seines Amtes in solcher Weise Enthobene 
muß wie jeder andere Quieszierte sich jederzeit wieder zu einem entsprechenden Amte 
berufen lassen; dieses braucht aber hier kein gleichwertiges zu sein: es genügt ein „dem 
Ministerposten zunächst stehendes, mindestens drei Fünftel des Ministergehaltes gewäh- 
rendes“. Auf der anderen Seite hat hier — eine große Besonderheit! — auch der Beamte 
das Recht, seine Enthebung vom Amte und einstweilige Versetzung in Ruhestand mit Warte- 
geld zu verlangen. Er kann diesen Anspruch aber nur begründen „durch seine verfassungs- 
  
Ministers, mit Rücksicht auf seine verfassungsmäßige Verantwortlichkeit die einstweilige Versetzung 
in Ruhestand zu verlangen, wovon sogleich die Rede sein wird. Gerade dieser letztere Zusammen- 
hang nötigt, hier praktisch zu sein, und den Kreis der Verantwortlichkeit nicht zu eng zu fassen, 
indem man ihn etwa gar auf den Fall der Gegenzeichnung beschränkt. Sicher ist, daß der Minister 
auch für nicht gegengezeichnete Verfügungen und auch für Unterlassungen des Königs verant- 
wortlich werden kann, was sich eben in dem im Texte auseinandergesetzten Gedankengange er- 
klärt. Wenn man das mit Opitz, Staats-R. 1 S. 165, unter die der Gegenzeichnung eigen- 
tümlichen Gesichtspunkte bringen will, da auch Unterlassungen des Königs, nicht bloß positive 
Handlungen, um gültig zu sein, der Zustimmung des Ministers bedürften, so ist das eine unnötige 
Gewaltsamkeit. Ebenso wird der Minister auch verpflichtet sein, unter Umständen seinen Kollegen 
entgegenzutreten; aber zu weit geht wohl v. Frisch, Verantwortlichkeit S. 213, 214, wenn 
er das geradezu auf die „Solidarität des Ministeriums“ gründen will und in bezug auf die Ver- 
antwortlichkeit meint: „die Kontrasignatur eines Ministers bedeutet die Kontrasignatur des Mi- 
nisteriums“, d. h. sämtlicher Minister, und „die Minister haben sich gegenseitig zu kontrolieren“, 
„sind einander verantwortlich". Die Minister sind im Gegenteil unabhängig voneinander, jeder 
darf und soll von der Vermutung ausgehn, daß der Kollege seine Sache richtig versteht und be- 
sorgt; nur sofern die Erfüllung des eignen Pflichtenkreises von dorther eine Rückwirkung erfährt, 
hat er wachsam zu sein. Selbstverständlich wird der Minister als guter Staatsbürger auch sonst 
nicht gleichgültig bleiben, wenn er Mißbräuche zu bemerken glaubt. Wir sprechen aber hier nur 
von seiner rechtlichen Stellung. 
11) Staatsdienerges. § 4 Abs. 4. Eine Ausnahme durch Forderung besonderer versönlicher 
Voraussetzungen begründet Verf.-Urk. 8 41 Abs. 3. Die Ausübung des landesherrlichen 
Kirchenregiments über die ew. luth. Kirche in Sachsen geschieht nämlich für den der katho- 
lischen Konfession angehörigen König „durch die in Evangelicis beauftragten 
Staatsminister'. Dazu gehört verfassungsmäßig der Kultusminister, „welcher stets der evan- 
gelischen Konfession zugetan sein muß“; ihm treten hinzu, nach Bestimmung des Königs, „wenigstens 
zwei andere Mitglieder des Gesamtministeriums derselben Konfession“. Daraus folgt, daß mindestens 
drei Minister evangelisch sein müssen. Nachdem die Verordnung vom 7. Nov. 1831 § 4 E den 
Auftrag in Evangelicis auf alle Mitglieder des Gesamtministeriums ausgedehnt hatte, bestand 
diese Anstellungsbedingung für alle. Seit dem Jahre 1840 wurde jener Auftrag tatsächlich wieder 
auf 4 Minister beschränkt, wozu der König trotz der Verordnung vom 7. Nov. 1831 berechtigt war: 
die erwähnte Bestimmung in #& 4 E war kein Rechtssatz, sondern wirklich nichts anderes als ein von 
ihm erteilter Auftrag gewesen. Die beauftragten Minister sind zur Zeit die der Justiz, der Finanz, 
des Innern und des Kultus. 
12) Staatsdienerges. & 4 Abs. 4 und § 9 Abs. 5 u. 6 sind zusammenzunehmen. Der Re- 
gierungsentwurf hatte in § 9 eine Pensionierung des Ministers im Auge (Landt.-Akten 1833, 
1. Abt. 1. Bd. S. 30 u. 31). Die Stände hatten aber mit Recht bemerkt: „da der abgehende. 
Minister wieder angestellt werden kann, jo scheint seine Pension mehr die Natur eines Wartegeldes 
anzunehmen“ (Landt.-Akten 1833/34, 1. Abt. 4. Bd. S. 17). Dem entspricht jetzt die Ausdrucks- 
weise des & 9. Gleichwohl ist in § 4 Abs. 4 der zu der früheren Auffassung passende Ausdruck „ent- 
läßt“ stehen geblieben.
	        
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