Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

256 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. 8 29. 
  
Dazu hat das Gesamtministerium noch gewisse eigene Zuständigkeiten, 
die ihm teils durch die Verf.-Urk. selbst schon übertragen sind und sich auf dem Ge- 
biete verfassungsrechtlicher Beziehungen bewegen: 
— Berufung des Familienrates behufs Einsetzung einer Regierungsverwesung, bei 
der es alsdann den Regentschaftsrat bildet (uvgl. oben §& 14, II und III); 
— Einberufung der Stände und Besorgung des geschäftlichen Verkehres mit diesen 
(ogl. oben §& 18, 1 Note 4, II Nr. 4 a. E.); 
— Ausschreibung der fortzuerhebenden Steuern bei nicht zustande gekommenem 
Finanzgesetz (vgl. oben § 24, II Nr. 3). 
Teils auch ist es durchbeesondere Gesetzemit Verwaltungsgeschäften 
betraut: 
— es erläßt die Erklärung des Kriegszustandes (Ges. vom 10. Mai 1851 § 13 und Ver- 
ordnung vom 18. Mai 1872); « 
— es wirkt mit bei der Handhabung des Staatsdienerrechts (Staatsdienerges. 8 10 
Abs. 4, 5 19 Abs. 2; Ges. vom 3. Juni 1876 F 13, §44, 8 47, Ges. vom 15. März 1880 8 3): 
— ihm sind unmittelbar unterstellt: die Oberrechnungskammer (Ges. vom 30. Juni 
1904 & 2) 16), das Oberverwaltungsgericht (Ges. vom 19. Juli 1900 § 6), das Hauptstaats- 
archiv, die Kabinets= und Ordenskanzlei, die Redaktion des Gesetz= und Verordnungs- 
blattes (Verordnung vom 7. Nov. 1831 §+ 4 G N. 6 und 7)19). 
Als Besonderheit ist noch zu erwähnen, daß Verf.-Urk. 8 58 der „obersten Staatsbe- 
hörde“ die Entscheidung von Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen 
Gewalt vorbehält, — nach Lage der Sachen eine ganz bedeutungslose Be- 
stimmung. 
4. Selbstverständlich steht jeder einzelne Minister dem König zur Verfügung, um ihn 
für die zu ergreifenden Regierungsmaßregeln zu beraten. Ebenso kann der König die 
Minister zu solcher Beratung sämtlich oder gruppenweise um sich versammeln. Er kann 
auch das Gesamtministerium zur Erstattung eines förmlichen Gutachtens über einen 
18) Daraus ergibt sich für das Gesamtministerium noch eine besondere Zuständigkeit. Der 
Oberrechnungskammer werden nämlich von den Einzelministerien die Rechnungen ihrer ganzen 
Verwaltungszweige vorgelegt und an diese richten sich ihre Erinnerungen. Wenn nun das be- 
teiligte Ministerium damit nicht einverstanden ist, so werden ja Unregelmäßigkeiten, die den Land- 
tag angehn, an diesen gebracht werden (vgl. oben § 24 Note 27). Handelt es sich aber um „Ab- 
weichungen von den ohne ständische Zustimmung ergangenen Vorschriften und Anordnungen 
und von den bisher als maßgebend für die Verwaltung angenommenen Grundsätzen“, so entscheidet 
als gemeinsame Oberbehörde das Gesamtministerium (Oberrechnungskammerges. vom 30. Juni 
1904 §& 18 Abs. 4). Ebenso entscheidet das Gesamtministerium, wenn die Oberrechnungskammer 
und das beteiligte Ministerium sich nicht einigen können wegen der aufzustellenden „Vorschriften 
über die formelle Einrichtung der Rechnungen“ (Ges. vom 30. Juni 1904 § 16). — Über die Er- 
ledigung von Meinungsverschiedenheiten, die den eigenen Etat des Gesamtministeriums betreffen, 
ist nichts bestimmt. Man mag das mit Löbe, Handb. des Etat-, Kassen= und Rechnungswesens, 
1. Aufl. S. 745, „eine Lücke“ nennen. Es bedeutet aber jedenfalls, in Gemäßheit des gegenseitigen 
Grundverhältnisses, daß der Wille des Gesamtministeriums vorgeht. Hätte der Beschluß der Ober- 
rechnungskammer der die Rechnungen vorlegenden Behörde gegenüber bindende Kraft, so müßte 
sie auch schon den Einzelministerien gegenüber ohne Nachhilfe zur Wirkung kommen. 
19) Mit diesen Einrichtungen und mit dem Staatsrat zusammen bildet das Gesamtministerium 
im Staatshaushaltsplan eine besondere Gruppe des Etats der Zuschüsse unter der Uberschrift: 
„D. Gesamtministerium“, Kap. 32—37 umfassend. Daß seine eigenen Geschäfte samt denen des 
Staatsrates nicht unbedeutend sind, beweist der Etat für 1908/09, der allein für „Sächliche Aus- 
gaben“ 3700 M. einsetzt. Die ganz geringfügigen Kosten für die beiden Disziplinargerichte 
sel- oben § 28, II Nr. 3) und für den Kompetenzgerichtshof (vgl. unten § 31, III) schließen sich 
ier an.
	        
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