270 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. § 31.
Verwaltungsbehörde beschwert findet in Fällen, wo nicht „eine Streitigkeit zwischen
mehreren einander als Parteien gegenüberstehenden Beteiligten vorliegt“ (§ 31), kann
unter Umständen eine Entscheidung der „obersten Verwaltungsjustizbehörde“", also des
als Kollegium urteilenden Fachministeriums anrufen. Das wäre denn eine Verwaltungs-
klage wegen Rechtsverletzung behufs der jetzt sogenannten „Rechtskontrolle“. —
Es ist wichtig, diese früheren Einrichtungen sich zu vergegenwärtigen, denn aus ihnen
ist die neue Ordnung der Verwaltungsrechtspflege in einfacher und natürlicher Weise
herausgewachsen. Sie bedeutet nichts als eine weitere Klärung und Verfeinerung,
entsprechend den inzwischen erreichten Fortschritten der Wissenschaft des öffentlichen
Rechts.)
Das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900
unterscheidet die nämlichen zwei Arten von in Form der Rechtspflege zu behandelnden
Verwaltungssachen, Berwaltungsstreitsachen,, wie sie jetzt heißen.
Bezüglich der Parteistreitigkeiten des öffentlichen Rechts wird der Ge-
danke kräftig zum Ausdruck gebracht, daß Verwaltungsrechtspflege nichts selbstverständ-
liches ist, sondern eine besondere Einrichtung bedeutet, die das Gesetz nach Zweckmäßigkeit
gewährt und nicht gewährt. 10) Deshalb beschränkt sie das Gesetz auf die besonders auf-
gezählten Arten von Sachen, die dann auch nicht wie bisher von jeder Behörde verwal-
tungsrechtspflegemäßig zu behandeln sind, bei der sie im Gange ihrer allgemeinen Zu-
ständigkeiten auftauchen. Vielmehr sind sie von vornherein ausschließlich überwiesen dem
ordentlichen Verwaltungsgericht erster Instanz, der Kreis-
hauptmannschaft (ogl. unten 1). Darüber steht dann, an Stelle des kollegialisch
entscheidenden Ministeriums, das neugeschaffene Oberverwaltungsgericht
(vgl. unten II). Es ist, wie jenes, einerseits die Berufungsinstanz für das untere
Verwaltungsgericht und entscheidet andererseits über das vollkommenere Rechtsschutz-
mittel, das jetzt die unfertigen Gebilde des Rekurses im Verwaltungsjustizwege und der
Nichtigkeitsbeschwerde ersetzen soll, die Anfechtungsklage.
I. Die Kreishauptmannschaft ist das ordentliche Verwaltungsgericht
erster Instanz. Sie bildet für diesen Zweck das im Org. Ges. § 25 vorgesehene Kolle-
gium (vgl. oben § 30, I und Note 9) und hat sich überall, wo sie als solches handelt, als
Verwaltungsgericht zu bezeichnen. 11)
Die zu ihrer Zuständigkeit gehörigen Sachen sind im Verw. R. Pfl. Ges. § 21 er-
9) Die alte Administrativjustiz scheint übrigens auch in einen gewissen Verfall geraten zu
sein. Das bezeugt die Begründung zum Verw.-R.-Pfl.-Ges., wenn sie von der bekannten Neigung
der Unterbehörden spricht, „die ihnen lästigen Fesseln eines geordneten gerichtlichen Verfahrens,
wenn irgend möglich, abzuschütteln, und daher dieses Gebiet der Verwaltungsrechtspflege immer
mehr einzuschränken“ (Landt.-Akten 1899/1900 Kgl. Dekrete 3, 1 S. 278). Vgl. auch Apelt,
Kommentar z. Verw. R.Pfll. Ges. S. 3. Das hing mit der unbestimmten Art der Bezeich-
mung der Administrativjustizsachen zusammen und damit, daß es „auch so ging“; vgl. oben
ote 7.
10) Begründung z. Verw.-R.-Pfl.-Ges., Landt.-Akten 1899/1900 Kgl. Dekrete 3, 1 S. 277:
„Es kann immer nur ein Teil der Verwaltungssachen im Verwaltungsstreitverfahren behandelt
werden und es wird von Zweckmäßigkeitsgründen abhängen, wie diese Auswahl getroffen wer-
en soll.“
11) Verw. R. Pfl. Ges. 8 2 Abs. 2. Die Beteiligten werden so darauf aufmerksam gemacht,
daß sie Parteien sind und daß die Entscheidung rechiskräftig wird. Ohne diese Selbstbezeichnung
miuns die, — — dafür angesehen werden, daß sie nicht als Verwaltungsgericht
gehandelt hat.