Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

286 Sechster Abschnitt: Die Selbstverwaltung. 8 32. 
  
Der Bürgermeister wird gewählt durch Stadtrat und Stadtverordnete, die sich zu 
einem einheitlichen Wahlkörper vereinigen. Alle übrigen Mitglieder des Stadtrates 
(Stadträte und etwaige zweite Bürgermeister) wählen die Stadtverordneten allein. 
Der Bürgermeister und sein Stellvertreter (zweiter Bürgermeister oder, wo ein solcher 
fehlt, ein dazu bestimmter Stadtrat) bedürfen der Bestätigung durch den Kreishauptmann.2) 
Die besoldeten Ratsmitglieder werden auf Lebenszeit angestellt; das Statut kann 
vorschreiben, daß die Wahl zunächst nur auf 6 oder 12 Jahre gilt und erst die Wiederwahl 
auf Lebenszeit wirkt.33) 
Die ehrenamtlichen Mitglieder werden auf 6 Jahre gewählt, mit Drittelserneuerung 
alle 2 Jahre. Sie können und müssen die Wahl annehmen unter denselben Bedingungen 
wie die Stadtverordneten."") 
Alle Mitglieder stehen in bezug auf Disziplin, Entlassung, Entsetzung und Suspension 
unter den für Staatsdiener geltenden Regeln. Urlaub bewilligt ihnen, auch dem Bürger- 
meister, der Stadtrat. 35) 
Der Stadtrat ist eine Gesamtbehörde (Kollegium). Er bestimmt durch seine Ge- 
schäftsordnung die Angelegenheiten, welche im Plenum zu erledigen sind, und weist 
den einzelnen Mitgliedern die übrigen zur Besorgung zu. Sachen, welche der Mitwirkung 
der Stadtverordneten bedürfen, müssen der Gesamt-Beschlußfassung vorbehalten bleiben.“) 
Der Bürgermeister ist „der Vorsteher des Stadtrats“. Er führt den Vorsitz in 
den Sitzungen des Kollegiums, leitet und beaufsichtigt den ganzen Geschäftsgang. Er 
vollzieht die Beschlüsse des Stadtrates und handelt überhaupt in dessen Namen für die 
Gemeinde überall, wo nicht ein anderes Mitglied durch die Geschäftsverteilung dazu be- 
rufen ist. Andere als vom Stadtrat abgeleitete Zuständigkeiten hat er nicht. 7) 
2. Die übrigen Gemeindeverfassungen entwickeln sich von hier aus wie folgt: 
— Die Städte mit Rev. St.-Ord. können durch Ortsstatut bestimmen, daß Stadtrat 
höher greifen. Das bedeutet dann immer nur den besonderen Titel, die besondere Gehaltsregu- 
lierung und die Bestellung zum ordentlichen Vertreter des Bürgermeisters. Was das Gesetz von 
dem Bürgermeister sagt, gilt immer nur von dem ersten Bürgermeister. Das Gesetz stellt es 
dem Statut frei, in solchem Falle dem ersten Bürgermeister den Titel „Oberbürgermeister“ zu 
verleihen: Rev. St.-Ord. § 84 Abs. 3. 
32) Rev. St.-Ord # 91 
33) Rev. St.-Ord. § 86. Diese Berufsbeamten brauchen nicht Bürger, noch überhaupt Ge- 
meindemitglieder zu sein, um gewählt zu werden. Doch müssen sie vor Antritt des Amtes das 
Bürgerrecht erlangt haben; dabei wird von dem Erfordernis zweijährigen Wohnsitzes im Gemeinde- 
bezirk abgesehen (und häufig abgesehen werden müssen): Rev. St.-Ord. F 84. 
34) Rev. St.-Ord. § 85 Abs. 2. 
35) Rev. St.-Ord. §s5 95—97. Wegen der Zuständigkeit zur Handhabung der Dienstgewalt 
überhaupt vgl. unten Note 55. 
36) Rev. St.-Ord. § 107. 
37) Rev. St.-Ord. § 106, 5 109. Auch bei der Kreishauptmannschaft werden die Geschäfte 
teils vom Kreishauptmann oder seinem Vertreter, teils gesamtheitlich erledigt. Hier liegt aber 
die Sache ganz anders. Während dort die Amtsbefugnisse dem Vorstand der Behörde zustehen, 
der sich vertreten lassen kann und nur ausnahmsweise zur Gesamtentscheidung mit den anderen 
zusammentritt, ist hier das Kollegium von Haus aus der Träger aller gemeindlichen Amtsbefug- 
nisse; die Mitglieder, wo sie als einzelne handeln, vertreten nicht den Bürgermeister, sondern das 
Kollegium und durch dieses die Gemeinde. Bei dem Bürgermeister selbst ist es geradeso: er „ver- 
tritt den Stadtrat und namens desselben die Stadtgemeinde'“ (§5 106 Abs. 3). Es ist die alte selbst- 
herrliche Stadtrats-Korporation, die hier noch nachwirkt. Das Verhältnis scheint mir demnach 
nicht richtig bezeichnet zu sein, wenn man sagt: die Erledigung der Geschäfte erfolge hier „teils 
auf bureaukratischem, teils auf kollegialem Weg“ (Häpe in Schr. d. Ver. f. Soz. Pol. 120 Bd. 4 
S. 39). Wo alles nur namens des Kollegiums handelt und unter ihm, liegt keine „bureaukratisch 
organisierte Behörde“ vor, auch nicht teilweise.
	        
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