Anhang: Verfassungsurkunde 88 144—149. 321
welche auch, mit Vorbehalt der Einwilligung des Königs, aus den Staatsdienern gewählt
werden können.
Die Stelle des Präsidenten vertritt im Verhinderungsfalle der erste der vom Könige
bestellten Richter.
Die Ernennung der Mitglieder erfolgt für die Periode von einem ordentlichen Land-
tage zum andern, und zwar jederzeit am Schlusse desselben. Im Falle einer Vertagung
des Landtags oder der Auflösung der zweiten Kammer bleibt der am Schlusse des vorigen
ordentlichen Landtags bestellte Gerichtshof bis wieder zum Schlusse der nächsten Stände-
versammlung fortbestehen.
§ 144. Der Präsident und sämtliche Richter werden für diesen ihren Beruf besonders
verdslichtet, und in bezug auf selbigen ihres Untertanen= und sonstigen Diensteides ent-
unden.
Weder der König noch die Stände können die Ernennung der Mitglieder während
der Zeit, auf welche sie ernannt sind, zurücknehmen.
Nimmt jedoch ein von den Ständen gewählter Richter ein Staatsamt an, so hört er
dadurch auf, Mitglied des Staatsgerichtshofs zusein, kann aber von der betreffenden Kammer
sofort wieder gewählt werden.
Versammlung des Staatsgerichtshofs.
8§ 145. Das Gericht versammelt sich auf Einberufung durch den Präsidenten, welche von
diesem sogleich geschehen muß, wenn er dazu einen von dem Vorstande des Justizministerii
kontrasignierten Befehl des Königs, oder eine von den Präsidenten beider Kammern
unterzeichnete Aufforderung, mit Angabe des Gegenstandes, erhält. Die Funktion des
Gerichts hört auf, wenn der Prozeß geendigt ist.
Der Präsident hat für die Vollziehung der Beschlüsse zu sorgen und im Falle eines
Anstands das Gericht wieder zu versammeln.
Verfahren desselben.
§ 146. Der Präsident bestellt, zu Leitung der vom Staatsgerichtshofe zu führenden
Untersuchung, ein vom Könige ernanntes und ein rechtskundiges von den Ständen gewähltes
itglied.
Zu jeder hauptsächlichen Entscheidung werden von sämtlichen Mitgliedern, mit Ein-
schlusse des Präsidenten, nach Stimmenmehrheit zwei Referenten gewählt.
Ist der erste Referent ein vom Könige ernanntes Mitglied, so muß der Korreferent
ein von den Ständen gewähltes sein, und umgekehrt. Im Falle der Stimmengleichheit bei
dieser Wahl entscheidet die Stimme des Präsidenten.
§ 147. Bei jedem Beschlusse muß eine gleiche Anzahl vom Könige bestellter und von
den Ständen gewählter Mitglieder anwesend sein.
Sollte durch Zufall eine Ungleichheit der Zahl eintreten, welche nicht sogleich durch
anderweite Ernennung, oder durch Eintritt eines Stellvertreters gehoben werden kann,
so tritt das letzte Mitglied von der überzählenden Seite aus; doch darf die Zahl der Richter
nie unter zehn sein.
Dem Präsidenten steht, außer den & 146 und 153 bemerkten Fällen, keine Stimme zu.
Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die für den Angeklagten günstigere
einung.
Die Akten des Staatsgerichtshofs werden durch den Druck bekannt gemacht.
Strafbefugnis des Staatsgerichtshofs.
§ 148. Das Strafbefugnis des Staatsgerichtshofs erstreckt sich nur auf ausdrückliche
Mißbilligung des Verfahrens oder Entfernung vom Amte.
Wenn selbiger die in seiner Kompetenz liegende Strafe erkannt hat, ohne eine weitere
ausdrücklich auszuschließen, so bleibt nicht nur dem ordentlichen Richter vorbehalten, gegen
den Verurteilten ein weiteres Verfahren von Amts wegen eintreten zu lassen, sondern
der Staatsgerichtshof hat auch diesem Richter von dem Ausgange der verhandelten Anklage
Nachricht zu geben.
Rechtsmittel gegen dessen Erkenntnis.
§ 149. Gegen den Ausspruch des Staatsgerichtshofs findet keine Appellation, wohl
aber die Berufung auf ein anderweites Erkenntnis statt. In diesem Falle sind zwei andere
Mitglieder als Referent und Korreferent dergestalt zu wählen, daß, wenn bei dem ersten
Erkenntnisse der Referent ein vom König bestelltes Mitglied war, der nunmehrige Referent
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