Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

87. Die Staatsangehörigen. 27 
  
Die Verf.-Urk. steht auf dem Boden dieser Rechtsidee. Sie handelt in ihrem dritten Ab- 
schnitt „von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Untertanen"“. Da wird denn 
in §5 24 vorausgeschickt eine Bestimmung über die subditi temporarü: „Der Aufent- 
halt innerhalb der Grenzen des Staates verpflichtet zur Be- 
obachtung der Gesetze desselben und begründet dagegen den ge- 
setzlichen Schutz“". Mit 526 beginnt die Darlegung jener allgemeinen Rechte und 
Pflichten der dem Staate besonders zugehörigen Menschen, welche nunmehr abwechselnd 
als „Landeseinwohner“ (5F 26, § 32) und als „Untertanen“ (5+29, § 37, 5 38, § 48) be- 
zeichnet werden.2) 
Dem Verfassungsstaate entspricht es aber nicht, seine Angehörigen lediglich nach dem 
Merkmal ihres Wohnsitzes und der daraus sich ergebenden stärkeren Erfaßbarkeit durch 
die Staatsgewalt zu bestimmen. Er betont im Gegenteil an ihnen statt der passiven 
die aktive Seite, statt einseitig nur die Pflicht, die von ihm zuerkannten Rechte auf Schutz 
der Freiheit und auf Anteil an der Ordnung der öffentlichen Gewalt, und nennt sie, 
namentlich mit Rücksicht auf diesen letzteren Punkt, nicht mehr bloß Untertanen, sondern 
Staatsbürger. Da wird denn die Staatsangehörigkeit aus einer bloßen Nebenwirkung 
des Wohnsitzes zu einer rechtlichen Eigenschaft, die der Person anhängt, zu einem 
Status, erworben durch familienrechtliche Tatsachen oder besonderen staatlichen Akt 
der Verleihung. Die Verf.-Urk. gibt in ihrem §& 25 die Absicht kund, daß eine Neuordnung 
in dieser Hinsicht geschaffen werden solle: „Die Bestimmungen über das 
Heimatsrecht (Gemeindezugehörigkeit) und Staatsbürgerrecht bleiben 
einem besonderen Gesetze vorbehalten.“ Ein Gesetzentwurf über Staats- 
angehörigkeit, Staatsbürgerrecht, Wohnsitz= und Heimatrecht, welcher dem Landtage 1833 
vorgelegt wurde, führte nur zu einer Regelung des Heimatsrechtes. Erst durch Ges. v. 
2. Juli 1852 über Erwerbung und Verlust des Untertanenrechtes erhielt auch die Staats- 
angehörigkeit die beabsichtigte Neubestimmung. An seine Stelle ist nunmehr das Reichsges. 
vom 1. Juni 1870 getreten, über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und 
Staatsangehörigkeit. Hierzu erging eine sächsische Ausführungsverordnung vom 24. De- 
zember 1870. 
II. Erwerb und Verlust der sächsischen Staatsangehörigkeit regeln sich also 
jetzt gemäß dem Reichsges. v. 1. Juni 1870. Dazu ist zu bemerken: 
1. Das ältere Recht, das den Gegenstand unter dem Gesichtspunkt des Umfangs der 
Herrschaft der Staatsgewalt behandelte, war lediglich darauf gerichtet, die gebietszugehörige 
Untertanenschaft abzugrenzen. Dieser, der Masse der Landeseinwohner, stand aber gegen- 
über die landesherrliche Familie und der Landesherr selbst. Es war keine Frage, daß 
auch sie zum Staatsvolk gehören, daß der sächsische Landesherr und sein Haus Sachsen 
sind. Seit Untergang des alten Reichs werden auch die Mitglieder des königlichen Hauses 
2) Milhauser, Staats-R. d. Kgr. Sachsen I S. 34 schreibt noch unter der Verf.-Urk. 
(1839): „Dagegen ermangelt die Begründung der Staatsangehörigkeit und der damit zusammen- 
hängende Begriff des Indigenats noch einer festen gesetzlichen Bestimmung. Nur soviel kann als 
in der Natur der Sache begründet angenommen werden, daß a) durch Anstellung in einem öffent- 
lichen Amte, b) durch Geburt von Eltern, die zu dieser Zeit ihren wesentlichen Wohnsitz in Sachsen 
hatten, und c) durch behinderte Ausweisung eines Vagabunden Staatsangehörigkeit in diesem Sinne 
entsteht.“ Der letzterwähnte Erwerbsgrund ist bezeichnend für die grundsätzliche Auffassung: 
Staatsangehöriger ist ein Mensch, den die Polizei nicht los werden kann.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.