28 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. § 7.
als Untertanen betrachtet; der König allein fällt nicht unter diesen Begriff. Er fällt
aber unter den Begriff des Staatsangehörigen.
Das Reichsgesetz, das die Gründe des Erwerbs und Verlustes der Staatsangehörigkeit
erschöpfend bestimmen will (6 2 und § 13: „nur“), hat nach wie vor das für die Unter-
tanenschaft berechnete Schema allein im Auge. An den Souverän denkt es nicht.
Für gewöhnlich stimmt es ja ohnedies: der König ist Sachse durch Abstammung. Man
muß aber an den Fall denken, daß einmal eine Seitenlinie zum Thron berufen würde,
die im Reichsausland sich niedergelassen hätte, oder, was noch schlagender ist, eine weib-
liche Linie, durch ein auswärtiges Fürstenhaus dargestellt. Hier würde selbstverständlich
niemand daran denken, den neuen König durch den Kreishauptmann erst naturalisieren
zu lassen. Die Eigenschaft eines sächsischen Staatsangehörigen ist kraft fortgeltenden
alten Rechts mit dem Besitz der Krone von selbst verbunden.)
Umgekehrt würde das Reichsgesetz wohl auch in dem Sinne zu ergänzen sein, daß
ein deutscher Untertan, der in einem anderen Staate Souverän wird, seine Staatsange-
hörigkeit verliert. Bei Mitgliedern des königlichen Hauses endigt in solchem Falle die
angestammte Hausgewalt. Mit der Staatsgewalt muß es ebenso gehalten werden.
2. Das Reichsgesetz hat vollkommen mit dem System gebrochen, das die Staats-
angehörigkeit als eine bloße Nebenwirkung der Gebietsangehörigkeit behandelt. Die
Staatsangehörigkeit ist ihm eine dem Menschen anhängende rechtliche Eigen-
schaft, ein Status, ein Personenstand.
Sie wird erworben (§2) durch Abstammung (eheliche Kinder erwerben den
Stand des Vaters, uneheliche den der Mutter), durch Legitimation (der Stand des legi-
timierenden Vaters entscheidet), durch Verehelichung (die Frau erwirbt den Stand des
Mannes), außerdem durch eine obrigkeitliche Verfügung, welche für den Erwerber ergeht
(Aufnahme eines Deutschen, Naturalisation eines Nichtdeutschen); die förmliche Anstellung
im Reichsdienst steht solcher Verleihung gleich (§ 9).
Die Staatsangehörigkeit geht verloren ( 13): durch Legitimation und Ver-
heiratung (die Staatsangehörigkeit des legitimierenden oder ehelichenden Ausländers
zerstört die deutsche Staatsangehörigkeit), durch obrigkeitlichen Entlassungsakt, durch Ver-
wirkungsausspruch und durch zehnjährigen Aufenthalt im Reichsausland.
Es kann nicht verkannt werden, daß es für den Staat immerhin von einer gewissen
Wichtigkeit ist, daß Staatsangehörigkeit und Gebietsangehörigkeit
möglichst zusammentreffe. Das Reichsgesetz trägt dem Rechnung nicht bloß unmittelbar,
indem es den zehnjährigen Aufenthalt in der Fremde als Verlustgrund der Staats-
angehörigkeit setzt, sondern auch durch entsprechende Bedingungen, an die es die obrig-
keitlichen Aussprüche knüpft:
— Niederlassung im Gebiet des erteilenden Staates ist vorausgesetzt, damit die Auf-
nahme verlangt (57), die Naturalisation erteilt 8 Ziff. 3) werden könne;
3) Richtig Opitz, Staats-R. 1 S. 78: „Der Begriff Untertanen deckt sich nicht völlig mit
dem Begriff Staatsangehöriger, sondern ist insofern enger, als zu den Staatsangehörigen auch
das Staatsoberhaupt selbst als das vornehmste und erhabenste Mitglied des Staates ebenfalls
zählt.“ Mit der von Rehm, Modernes Fürstenrecht S. 442, gegebenen Formel: „Der Herrscher
ist sein eigener, sein erster, sein vornehmster Untertan“, wird sich die hier zu lösende Frage nicht
vereinfachen. Es handelt sich darum: wie wird er sein Untertan? Man kann wohl sagen: daß
er Staatsangehöriger ist, versteht sich von selbst, weil er Herrscher ist. Soll er Untertan sein, so
fragen wir erst noch nach dem Grunde.