Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

34 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. 8 
  
e i d vor. Jedoch bestimmt sie nur den Inhalt dieses Eides, ohne eine Vorschrift zu geben 
über die Leistungspflicht. Er wird bei Verleihung der Staatsangehörigkeit abgenommen. 
Früher geschah das auch bei Erwerb des Gemeindebürgerrechts; jetzt ist hier das bloße 
Bürgergelöbnis an die Stelle getreten.18). — 
In diese landesrechtliche Ordnung des Unterschiedes zwischen Staatsangehörigen und 
Fremden greift nun das Reichsrecht ein, indem es die Gruppe der Reichsangehörigen da- 
zwischen schiebt, ausnahmsweise wohl auch in der Richtung einer Gleichstellung der Reichs- 
ausländer Bestimmung trifft. Dabei ist es auf zweierlei Weise vorgegangen. 
Zunächst wurde in Reichsverf. Art. 3 (entsprechend dem Art. 3 der Verf. d. Nordd. 
Bundes) das gemeinsame Indigenat eingeführt. Damit sollte keineswegs, 
wie dies die Grundrechte oder Freiheitsrechte wollten, den Reichsangehörigen gegenüber 
den Einzelstaatsgewalten ein bestimmtes Maß von Freiheit gesichert werden. Vielmehr 
ist der Zweck nur darauf gerichtet, eine rechtliche Benachteiligung der übrigen Reichsan- 
gehörigen gegenüber den eigenen Staatsangehörigen zu verhindern. Jedem Staate blieb 
die Möglichkeit, die Bewegungsfreiheit und die gewerbliche Tätigkeit der Angehörigen 
anderer Bundesstaaten auf das schärfste zu beschränken, wenn er nur seine eigenen 
Staatsangehörigen ebenso schlecht behandelte. Aber die Freiheit, die er diesen gestattete, 
mußte allen Reichsangehörigen zugute kommen. Im großen und ganzen verfahren ja die 
Staaten tatsächlich schon ohne dies so gegenüber allen Fremden. Zugunsten der Reichs- 
angehörigen wurde aber diese Gleichbehandlung unverbrüchlich festgelegt unter Beseitigung 
etwaiger doch noch bestehender Ausnahmen.¼4) 
Diese Art der gegenseitigen Sicherung tritt allmählich ganz in den Hintergrund gegenüber 
der zweiten Form, in welcher das Reich in diesen Gegenstand eingreift. Es ordnet nämlich 
durch seine Gesetzgebung die zu treffenden Maßregeln selbst und läßt dabei keinen Unter- 
schied zu zwischen deutschen Reichsangehörigen. Gegenüber Reichsausländern bestimmt 
es wohl noch Abweichendes (gewerbepolizeilich, versicherungsrechtlich usw.); manchmal 
auch hier nicht. 15) Besonders wichtig sind aber die Eingriffe des Reichsrechtes in die den 
eigenen Staatsangehörigen sonst grundsätzlich vorbehaltenen Gebiete: 
— die Ausweisung von Reichsangehörigen ist auf ganz bestimmte Fälle beschränkt 
(Freizügigkeitsges. vom 1. Nov. 1867, &#& 3—5); 
— den Schutz der Deutschen im Ausland besorgt unterschiedslos das Reich selbst 
(Reichs-Verf. Art. 4 Ziff. 7, Art. 56); 
— die Ehrenämter der Justiz setzen nicht Angehörigkeit an den Staat, für den sie geführt 
werden, sondern lediglich Reichsangehörigkeit voraus (Gerichts-Verf.-Ges., § 31, 84, 85, 
13) Nach Verf.-Urk. § 139 ist der Eid „nächst dem Versprechen der Treue und des Gehorsams 
gegen den König und die Gesetze des Landes, auch auf die Beobachtung der Landesverfassung 
zu richten.“ Der Eid ist in der gleichen Weise auch von den Zivilstaatsdienern und den Geistlichen 
aller christlichen Konfessionen zu leisten. Er entsprach einer liberalen Forderung jener Zeit und 
sollte eine Garantie der Verfassung darstellen. Über die Abnahme des Eides bei Verleihung der 
Staatsangehörigkeit vgl. oben Note 6. — Das sichtliche Zurücktreten des politischen Eides ist vom 
christlichen Standpunkte aus nur zu begrüßen. Wenn man es als einen Vorteil ansehen will, daß 
dadurch die Leute doch wieder einmal daran erinnert werden, daß unser Gemeinwesen auf den 
Glauben an Gott gegründet ist, so gibt es viel schicklichere und wirksamere Mittel, um solchen 
Eindruck auf sie zu machen. 
14) Seydel, Kommentar zur Verf.-Urk. f. d. Deutsche Reich!l S. 49 ff. 
15) Ges. v. 3. Juli 1869, die Gleichberechtigung der Konfessionen betreffend, fragt überhaupt 
nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit.
	        
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