Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

88. Reste von Adelsvorrechten. 43 
  
standesherrlichen Hauses Solms und als solcher mit den persönlichen Rechtsvorzügen der 
standesherrlichen Familie ausgestattet. Sächsische Standesherren sind die Solms-Wilden- 
fels also nicht. Die sächsische Regierung hat aber seinerzeit die nötigen Schritte getan, 
damit das Haus in das Verzeichnis der vormals reichsständischen gräflichen Familien 
aufsgenommen wurde, deren Häupter nach Bundesbeschluß vom 15. März 1829 das Prä- 
dikat „Erlaucht“ genießen sollten. Darin liegt die Anerkennung der allgemeinen Zu- 
gehörigkeit des Hauses zum standesherrlichen Adel. Später bot die Ordnung der Steuer- 
pflicht des Hauses Gelegenheit, noch einmal ausdrücklich darauf zurückzukommen: die 
den adeligen Gütern zustehenden Steuerprivilegien waren für Wildenfels in einem Rezeß 
von 1706 vertragsmäßig festgelegt worden. Im Jahre 1846 wurde durch neues Über- 
einkommen dieses Sonderrecht beseitigt. Das geschah aber wieder in der Weise, daß das 
Übereinkommen gemäß im voraus erteilter ständischer Ermächtigung abgeschlossen und 
dann durch königliche Deklaration genehmigt wurde, die im Gesetz= und Verordnungsblatt 
Veröffentlichung fand.322) Dabei wurde bestimmt, daß dem Hause Solms-Wildenfels 
zukomme: Ebenbürtigkeit, Prädikat Erlaucht, Militärfreiheit und Landstandschaft..) Die 
letztere bestand von alters her, war auch in der Verf.-Urk. § 63, Ziff. 3 für die erste Kammer 
neu bestätigt worden. Sie ist unabhängig von der standesherrlichen Eigenschaft des Hauses, 
eine besondere landesrechtliche Zugabe. 
Das Haus Solms-Wildenfels genießt demnach in Sachsen die Vorrechte der einem 
anderen deutschen Staate angehörigen Standesherren, mehr die auf dem Besitz eines 
adeligen Gutes beruhende Landstandschaft in der ersten Kammer.2#) 
II. Das Königreich Sachsen enthält keinen ausgedehnten Großgrundbesitz wie der 
Osten der preußischen Monarchie. Es ist ein hochentwickeltes Industrieland mit weit- 
gehender Bodenverteilung. Aber mitten in dieses ganz moderne Bild hinein finden wir 
eine Menge mittelgroßer Landgüter eingezeichnet, die schon durch ihren Namen bekunden, 
daß sie Zeugen sein wollen weit abliegender Vergangenheit, ausgestattet mit gewissen 
Vorrechten, die in der Gegenwart keinen Zusammenhang und keine Rechtfertigung zu 
finden scheinen. Es sind die Rittergüter. Die Vorrechte, welche sich daran knüpfen, 
sind von Haus aus Adelsvorrechte; es sind adelige Güter. Ihren Namen und ihre 
rechtliche Eigenart haben sie erhalten im Zusammenhang einer längst verschwundenen 
Wehrverfassung. Der Ritter, der Mann, der zu Roß und im Harnisch Kriegsdienste leisten 
soll, wird ausgestattet mit dem nötigen Grundbesitz, um den damit verbundenen Auf- 
  
22) Bestätigungs- und Deklarationsurkunde, die wegen der Abgabenverhältnisse in der Herr- 
tiait Solme-Wildenfele geschlossene Übereinkunft betr. v. 18. Februar 1846 (Ges.= u. Verord.-Bl. 
6, S. 19). 
23) Die Bestätigungs= und Deklarationsurkunde verleiht diese „Vor= und Ehrenrechte" unter 
dem Titel einer „qualitativen“ Entschädigung für die materiellen Nachteile auf dem Gebiet des 
Steuerwesens. Qualitativ scheint hier so viel zu bedeuten als: auf die Qualität der Person 
bezüglich. Das Recht zur Errichtung von Hausgesetzen ist nicht ausdrücklich anerkannt, ver- 
steht sich aber von selbst. Wegen der reichsgesetzlichen Rechtsvorzüge vgl. oben Note 11. — Nach 
v. Römer, Staats-R. u. Statistik II S. 84, hatten auch die Grafen Solms „untergeordnete 
bahterechte“ aber bei weitem nicht in dem Maße wie das Haus Schönburg. Geblieben ist hier- 
von nichts. 
24) Opitz, Staats-R. I S. 90, hebt die hier entstandenen Zweifelsfragen hervor. Daß 
es sich um ein ehemals reichsständisches Gesamthaus handelt (Geffter, Sonderrechte der 
vormals reichsständischen Häuser S. 405), dessen Zweig in Sachsen niedergelassen ist, ohne hier 
defcilichen Seiten einer Standesherrschaft zu bieten, erklärt wohl die Rechtsstellung ganz 
einfach.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.