44 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. 5 8.
wand zu tragen. 5) Er erhält ein Ritterlehn, das erblich wird. Die Ritterschaft
bildet einen bevorzugten Geburtsstand, den niederen Adel. Die Ritterschaft nimmt am
Landtag teil als zweite Klasse und zieht daraus Gelegenheit, ihre Vorrechte zu bekräftigen
und zu vermehren. Der Zusammenhang mit der Wehrverfassung verschwindet. Lange
Zeit erinnert daran in Sachsen noch der Name einer von den Rittergütern zu entrichtenden
Steuer, Ritterpferde genannt.25)
Die Vorrechte des Adels sind teils persönliche (Titel, Wappen, Familiengesetze,
auch ausschließlicher Anspruch auf bestimmte Staatsämter u. dgl.). Teils hängen sie an
dem Besitze des Rittergutes und werden durch den adeligen Besitzer geltend gemacht.
Diese dinglichen Vorrechte, wie wir sie in Anschluß an das Recht der Standes-
herren nennen mögen, bestanden in Landstandschaft, Zugehörigkeit zu den Kreisständen
und Provinzialständen, ausschließliche Fähigkeit zu gewissen Amtern, Freiheit des Ritter-
gutes von Steuern und Militärlasten, Freiheit vom Gemeindeverband, dazu niedere
Gerichtsbarkeit und privilegierter Gerichtsstand. 7)
Nun aber hatte sich sehr frühzeitig das Bestreben entwickelt, das Rittergut, wie einst
von der Wehrverfassung, so auch vom Adel zu lösen. Daß auch Nichtadelige ein
solches käuflich erwerben können, lag ja schließlich im eigenen Interesse der kaufpreis-
lustigen Herren. Die Frage war nur, wie es in diesem Fall mit den Vorrechten stand.
Eigentlich waren es adelige Vorrechte, bedingt durch den Besitz des Gutes; andererseits
war es wieder ein Vorteil für den Verkäufer, diese besonderen Rechte mit verkaufen zu
können. Die Anschauungen haben hier gewechselt. Gegen Ende des alten Reichs war
man sogar wieder strenger geworden. Lange wurde dem bürgerlichen Erwerber die
Steuerfreiheit versagt. Die Landtagsfähigkeit wußte ihm die Ritterschaft dadurch zu
verleiden, daß man ihm die üblichen Diäten, die „Auslösung“", nicht gewährte.25) Bei
Erlaß der Verfassung von 1831 stand es so, daß der Besitz eines Rittergutes ohne Rück-
sicht auf den Stand des Besitzers alle dinglichen Vorrechte gewährte mit Ausnahme nur
der Landstandschaft und des Anspruchs auf gewisse Amter. Diese beiden Dinge konnte
nur ein auch persönlich „landtagsfähiger“, d. h. ein Adeliger ausüben.
Mit der Verfassung ist auch dieser Vorbehalt verschwunden. Das Wort „Adel“ kommt
25) Delbrück, Gesch. der Kriegskunst III S. 4, gibt für die fränkische Zeit eine Berech-
nung der Kosten der Ausrüstung eines Harnischreiters, ohne das, was zu seiner Verpflegung gehört;
sie belaufen sich, ins Landwirtschaftliche übersetzt, auf den Wert von 45 Kühen. — Wir erwähnen
hier diese Dinge nur zur Veranschaulichung des Gegensatzes zu dem, was schließlich daraus ge-
worden ist; eine Darstellung des Lehnrechts gehört nicht hierher.
26) Sie ist gedacht als Abfindung für die auf dem Gute liegende Last, „mit einer bestimmten
Anzahl von Pferden Ritterdienste zu leisten“, v. Römer, Staats-R. u. Statistik II S. 234,
meint noch: der Kurfürst habe das Recht, jederzeit zu verlangen, „daß diese Ritterpferde noch
jetzt in Natur gestellt werden müßten“. Es sei nur unzweckmäßig, wegen „der veränderten Art
Krieg zu führen“. Damals, 1788, zählte man in Kursachsen 1491 17 geschuldete Ritterpferde.
27) v. Römer, Staats-R. u. Statistik III S. 144 ff., sucht eine erschöpfende Zusammen-
stellung zu geben. Er beginnt mit den persönlichen Vorrechten (S. 145): „Hiernächst hat nach
besonderer chursächsischer Verfassung ein jeder von Adel 1. das Recht, sich vorzüglich kostbar vor
allen übrigen Ständen zu kleiden, 2. höhere Spiele als die Bürgerlichen zu spielen, 3. bei Ver-
heyrathungen das Aufgebot zu unterlassen, und 4. Trauungen und Taufen in seiner Privatwohnung
verrichten zu lassen“ usw. Dann kommen (S. 153ff) „diejenigen Gerechtsamen des Adels, welche
mit dem Besitz von Rittergütern verbunden sind“, ihrerseits noch abgestuft nach weiteren Voraus-
setzungen. Zuletzt können diese Gerechtsame des Adels auch derart beschaffen sein,
Pa 7 auch jedem bürgerlichen Besitzer eines Rittergutes zukommen“. Davon wird nun die
ede sein.
28) Darüber Weiße, Kgl. Sächs. Staats-R. 1 §/8 55.