8 8. Reste von Adelsvorrechten. 45
in der Verfassung überhaupt nicht vor und Standesvorrechte gibt es zu seinen Gunsten
nicht mehr.:) Andererseits sind die Vorrechte, die an dem Besitz der ehemals adeligen
Güter, der Rittergüter, hängen, jetzt zurückgegangen auf zweierlei Dinge:
Der Besitzer hat besondere Rechte in bezug auf die Zusammensetzung der
Land-, Kreis= und Provinzialstände (pgl. unter & 15, III, §/ 33, III);
— das Rittergut ist vom Gemeindeverbande ausgenommen und als selbständiger
Gutsbezirk gestaltet. (vgl. unten §# 33, 1).
Alles andere ist mit der durchgeführten Vereinheitlichung und Gleichmachung des
Justiz-, Steuer= und Polizeiwesens nach und nach verschwunden. —
Die Frage, ob ein Landgut Rittergut ist, hat aber demnach immer noch eine große
praktische Bedeutung. Es handelt sich um eine geschichtlich mitgebrachte Eigenschaft,
die nicht verliehen, sondern nur festgestellt wird. Das Gesetz könnte auch neue Rittergüter
schaffen, wird es aber sicher nicht tun. Aus Anlaß der Verfassung, die den Rittergütern
eine große Bedeutung für die zweite wie für die erste Kammer wahrte, wurde es für not-
wendig gefunden, eine förmliche Feststellung vorzunehmen. Diese wurde veröffentlicht
als Beilage zur königlichen Verordnung v. 6. November 1832.30) Das Verzeichnis gibt
im ganzen 1027 sächsische Rittergüter an. Darunter sind vier als Kammergüter bezeichnet,
d. h. sie sind für das Staatsgut erworben, und so lange sie solches bleiben, ruhen die daran
hängenden Standschaftsrechte.
Wie sehr man die Eigenschaft als Rittergut für eine ihm geschichtlich anhängende, vom
Staat nicht besonders zu schaffende oder anzuerkennende hielt, beweist der Fall des Gutes
Schirgiswalde, welches auf Grund älterer Verträge im Jahre 1845 endlich von Osterreich
an Sachsen abgetreten wurde. Das Gut wurde von der Regierung ohne weiteres in das
sächsische Rittergutsverzeichnis ausgenommen auf Grund der Feststellung, daß es die
entsprechende Vergangenheit und Sonderstellung besaß.31)
Ist ein derartiger Zuwachs naturgemäß eine Seltenheit, so findet umgekehrt in ver-
hältnismäßig häufigen Fällen eine Verminderung der Rittergüter statt. Die von Zeit
zu Zeit bekannt werdenden berichtigten Verzeichnisse weisen sinkende Zahlen auf. 32) Ein.
Verzicht auf die Rechte eines Ritterguts wird zwar nicht als wirksam anzusehen sein; denn
auf einzelne dieser Rechte, für welche das Gesetz das besonders vorsieht (vgl. unten §& 33,
I, Note 1), kann der Besitzer verzichten, aber nicht auf die gesetzlich feststehende Eigenschaft
seines Gutes, welche die Rechte immer wieder aufs neue erzeugt. Es läuft also doch
29) Der Verfassungsentwurf von Carlowitz enthielt eine Bestimmung: „Die besonderen
Rechtsverhältnisse des Adels stehen unter dem Schutze der Verfassung“ (§ 43). Der Geheime
Rat hat ihn gestrichen als gegenstandslos; v. Witzleben, Die Entstehung der konstitutionellen
Verfassung S. 183. Milhauser, Staats-R. 1 S. 91, Bülau, Verf. u. Verw. I S. 75
und Opitz, Staats-R. I S. 94, heben hervor, daß dem Adel noch ausschließlich die Befähigung
zu gewissen Stellen im Hofdienste zusteht. Der letztere möchte mit Rücksicht auf derartiges „die
Frage, ob im Königreich Sachsen der niedere Adel rechtlich noch als besonderer Stand anzusehen
sei“ bejahen. Es scheint mir aber damit die Bedeutung des Hofdienstes überschätzt zu werden.
30) Samml. d. Ges. u. Verord., 1832, S. 425ff.
31) Ges.= u. Verord.-Bl., 1845, S. 99. Es handelte sich um eine bisherige Enklave des säch-
sischen Gebietes; die Übereinstimmung der gesellschaftlichen Ordnungen ergab sich da von selbst.
32) Eine offizielle Veröffentlichung hat nicht mehr stattgefunden; die Ausf.-Verord. v. 4. De-
zember 1868 zum Wahlges. v. 3. Dezember, § 3 verweist daher auf das 1832 bekannt gemachte
Berzeichnis, bei welchem es sein Bewenden hat, „soweit nicht später einzelne Abänderungen erfolgt
sind“ Hofmann, Die Rittergüter des Kgr. Sachsen, 1901, S. 65, streicht bereits 78, so daß
nur 949 verbleiben.