Zweiter Abschnitt.
Der König und das Königliche Haus.
§9. Die Thronfolgeordnung. Die Thronfolgeordnung ist der Inbegriff
der Regeln, nach welchen an die Stelle eines wegge fallenen Kö-
nigs ein anderer tritt. In den Ordnungen der Monarchie bildet sie das erste
und notwendigste Stück, da zum Unterschiede von der Republik der Herrscher hier sterb-
lich ist.
Der verfassungsmäßige Ersatz durch den Eintritt des Thronfolgers vollzieht sich in den
Formen des Erbrechts. Sachsen ist Erbmonarchie. Dieses Erbrecht hat sein bestimmtes
Gepräge erhalten durch die geschichtlichen Grundlagen, aus denen das sächsische Staats-
wesen erwachsen ist. Die Landeshoheit in diesen Gebieten gehörte dem Wettinischen
Fürstenhaus in derselben Weise wie das Stammvermögen an Schlössern und sonstigem
liegendem Gut. Das Familienoberhaupt hatte beides in Besitz und Genuß; nach älterem
Rechte teilte sich beides unter die mehreren überlebenden Söhne. Durch Hausgesetz und
Familienvertrag konnte die Erbfolge besondere Ordnungen erhalten, konnte auch im Wege
der Erbverbrüderung mit einem anderen Fürstenhaus eine Ausdehnung des Erbfolgerechtes
auf dieses bewirkt werden.
Der neuzeitliche Verfassungsstaat ist nicht mehr Hausgut der landesherrlichen Familie.
Er hat die Regeln und Formeln des alten Erbrechtes dieser Familie übernommen und
wirksam erhalten; aber die Rechtswirkung, die er daran knüpft zugunsten des darnach
jeweils sich bestimmenden neuen Familienhauptes, ist nicht mehr die Ausübung der Rechte
der Familiean ihrem Gut,sondern der reinst aatsrechtlich gedachte Stand
eines Staatsoberhauptes.
Und der Staat, d. h. das Staatsoberhaupt, handelnd in den durch die Verfassung
bestimmten Formen, ist auch in dieser Hinsicht unbedingter Herr und Meister
aller Rechtsordnung. Er wahrt und handhabt das überkommene Recht, er läßt
es möglicherweise sich fortbilden in den hergebrachten Formen. Er kann aber, wie die
Rücksicht auf das Ganze es erheischen mag, jeder Zeit mit seiner rechtsordnungschaffenden
Gewalt eingreifen und mehr oder weniger tiefgehende Anderungen setzen oder auch nur
das Bestehende nunmehr als sein von anderer Seite nicht mehr abänderbares Recht fest-
legen. Dann gilt unbedingt nur, was er gewollt hat.
So setzt sich die Thronfolgeordnung aus alten und neuen Elementen zusammen, die
beide in ihrer Eigenart gewürdigt werden müssen.