Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

48 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 89. 
  
Es ist falsch zu sagen: der König leite sein Recht von der Verfassung ab. Der König 
erwirbt seine Stellung kraft des im Wettinischen Hause geltenden Erbrechts. 
Andererseits macht ihn aber auch dieses Erbrecht jetzt nicht mehr zum Landesherrn 
im alten Sinne, sondern zum Staatsoberhaupt im Sinne des neuen Verfassungsrechts 
und unterliegt selbst all den Bestimmungen, welche dieses höhere staatliche Recht ihm zu 
geben für gut findet.1) — 
Den Kern der Thronfolgeordnung bilden diejenigen Stücke des Wettinischen Erb- 
rechts, welche in der Verf.-Urk. selbst, 9 6 und § 7, festgelegt sind; der erstere handelt von 
der ordentlichen, der letztere von der außerordentlichen Thronfolge. Die ordentliche Thron- 
folge bedeutet die im Mannesstammee des sächsischen Fürstenhauses sich vollziehende. 
Die außerordentliche, welche erst nach Erlöschen dieses Mannesstammes Platz greifen 
würde, beruft andere Fürstenhäuser kraft Erbverbrüderung, und zuletzt auch 
weibliche Linien. 
I. Verf.-Urk. § 6 bestimmt für die ordentliche Thronfolge: „die Krone 
isterblichin dem Mannesstamme des Sächsischen Fürstenhauses 
nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge, 
vermöge Abstammung aus ebenbürtiger Ehe.“ 
Erste Voraussetzung für die Berufung zum Thron ist demnach die Zugehörigkeit zum 
Sächsischen Fürstenhause. Der Personenkreis, welcher damit gemeint ist, 
wird im Hausges. vom 30. Dezember 1837 §5 1 bezeichnet als das Königliche Haus 
Sachsen Albertinischer Linie.?) In dem gleichen Sinne wird auch der Aus- 
druck gebraucht: das Meißnische Fürstenhaus oder das Sächsisch-meiß- 
nische Fürstenhaus. Diese Bezeichnungen erklären sich daraus, daß es sich bei 
dem Sächsischen Fürstenhause handelt um die rechtmäßige Nachkommenschaft Herzogs Al- 
brecht des Beherzten, dem im Teilungsvertrage von 1485 die Markgrafschaft Meißen 
zufiel.3) 6 
1) Georg Meyer, Deutsches Staats-R. § 85, bringt das Verhältnis der beiden Ele- 
mente sehr gut zum Ausdruck. Unter dem Einfluß französischer republikanisierender Anschau- 
ungen wurde zeitweise der mächtige patrimoniale Unterbau unseres monarchischen Thronfolge- 
rechts sehr unterschätzt. Neuerdings scheint man eher geneigt, ihn allzusehr zu betonen. An- 
schütz, der die 6. Aufl. des angeführten Werkes besorgt hat, äußert sich über diesen Punkt S. 255 ff. 
Das sächsische Staatsrecht gibt jedenfalls für solche anachronistische Neigungen keine Stütze. 
2) Das Hausgesetz hat hier das im Auge, was Rehm, Modernes Fürstenrecht S. 96, als 
landesherrliches Haus im engeren Sinne bezeichnet, „die Gesamtheit der einer und derselben 
fürstlichen Hausgewalt Unterworfenen“, im Gegensatz zur Abstammungsgemeinschaft, welche das 
Haus im weiteren Sinne vorstellte. Das letztere würde der Familie im bürgerlichen Sinne ent- 
sprechen, und es ist gewiß, daß der Ausdruck wohl auch in dieser Weise gebraucht wird. Der Rechts- 
begriff des fürstlichen Hauses, wit welchem wir zu rechnen haben, ist gleichwohl einheitlich die 
Hausgewaltsgemeinschaft. Diese beruht zwar wesentlich auf Abstammung, löst sich aber bei 
Frauen mit der Verehelichung in ein fremdes Haus. Der Ausdruck „weibliche Linie“ des König- 
lichen Hauses darf nicht stören (Rehm gegen Zorn a. a. O. S. 98). Das ist eine vom 
Königlichen Hause abzweigende Linie, deren sernere Mitglieder nicht mehr zu diesem gehören, 
sondern eben zu einem anderen. Zur königlichen Familie im bürgerlichen Sinne gehören sie, aber 
mit diesem Begriffe haben wir hier nicht zu rechnen. 
3) Opitz, Staatsrecht 1 S. 127; Weiße, Staatsrecht 1 S. 72 Note 11! Leuthold, 
Staatsrecht S. 223; Fricker, Grundriß S. 13. Nach Bülau, Verf. u. Verw. 1 S. 43f. 
gebührte die Krone dem „Hause Wettin“, das erst mit seiner Albertinischen, dann mit seiner Ernesti- 
nischen Linie nach „Geblütsrecht“, kraft Abstammung zum Zuge käme. Es ist aber ausgeschlossen, 
daß die Verf.-Urk. mit dem Wort „Sächsisches Fürstenhaus“ auch die verschiedenen Häuser der 
Ernestinischen Linie umfassen wollte. Sie spricht hier hintereinander vom „Königreich Sachsen“, 
von seiner „Regierungsform“ und vom „Sächsischen Fürstenhaus“, in welchem die Krone erblich 
ist. Das ist das regierende Haus im Königreich Sachsen, das Königliche Haus, wie es sofort (§ 11) 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.