Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

56 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 8 9. 
  
besteht ja, wenn man den Maßstab bürgerlicher Familien anlegt, zwischen den Albertinern 
und den Ernestinern zweifellos eine Verwandtschaft. In diesem Sinne bestünde aber 
eine solche auch mit den weiblichen Linien der Albertiner sowohl als der Ernestiner. Das 
eine kann hier so wenig gemeint sein wie das andere. Vielmehr ist hier nur von der Ver- 
wandtschaft im Sinne des hochadeligen Hauses die Rede, von der agnatischen Verwandt- 
schaft, die im Kreise des zugehörigen Mannesstammes beschlossen ist. Von der nach diesem 
Verwandtschaftsverhältnisse sich ergebenden „Berechtigung“ handelt der vorhergehende 
# der Verf.-Urk. erschöpfend. Der & 7 weist darauf zurück, um zu sagen, daß die weib- 
liche Linie zum Zuge kommt, wenn auf diesen Titel keiner berufen ist, und fügt nur den 
Vorbehalt hinzu, daß zunächst auch noch die in der Verf.-Urk. nicht näher geregelte Erb- 
verbrüderung in Betracht kommen kann. 
Demnach wird also die Sache zu vereinfachen sein: wir haben hier nur von Erbver- 
brüderung und weiblicher Linie zu handeln. 
1. Die Verfassung läßt Thronfolge kraft Erbverbrüderung schlechthin zu und 
weist ihr einen bevorzugten Platz an. Damit ist Raum gegeben für die Wirksamkeit be- 
stehender Erbverbrüderungen; sonst würden diese überhaupt nicht in Betracht kommen. 
Damit ist aber selbstverständlich nicht gesagt, daß solche gegebenen Falles unbedingt und 
unter allen Umständen wirksam werden. Es wird darauf ankommen, ob sie sich alsdann 
geeignet erweisen werden, den durch die sächsische Verfassung geforderten Thronfolger 
zu liefern. Und zwar wird die entscheidende Frage vor allem unter dem Gesichtspunkte 
der in Verf.-Urk. & 1 verordneten Unteilbarkeit des sächsischen Staates gestellt werden 
müssen: die Erbverbrüderung kann nur wirken, sofern sie im gegebenen Fall einen be- 
stimmten einzigen Prinzen zur Thronfolge für das ganze sächsische Gebiet beruft. 
In dieser Hinsicht werden aber die vorhandenen Erbverbrüderungen sämtlich nicht 
unbeanstandet bleiben können. 
Es sind ihrer drei, untereinander derart geordnet, daß die vorausgehende immer zu- 
gleich einen engeren Verband bildet, der geschlossen in den nächstfolgenden weiteren Ver- 
band eintritt. 
In erster Linie steht die schon im Leipziger Teilungsvertrag vom I17. Januar 1485 
vorgesehene Erbverbrüderung mit dem Ernestinischen Hause, wieder auf- 
gerichtet durch den Naumburger Beivertrag vom 24. Februar 1554.19) 
Am 12. März 1555 wurde dann zwischen beiden sächsischen Häusern einerseits („als 
eine Parthey“) und dem hessischen Hause andererseits („an der andern Parthey“) 
eine Erbverbrüderung geschlossen. Auch dieser Vertrag will eine Erneuerung der 
zwischen Sachsen und Hessen schon wiederholt getroffenen Abmachungen sein. Bemerkens- 
wert ist nur, daß trotz der inzwischen erfolgten Trennung der sächsischen Linien Hessen 
gegenüber die Einheit gewahrt wird: das hessische Haus ist erst dann zur Nachfolge 
Verwandtschaft und Erbverbrüderung, vor.“ Die geschichtliche Zusammengehörigkeit der beiden 
wettinischen Häuser hat immer die Juristen dahin geführt, die Rechtstitel auf gegenseitige Thron- 
folge möglichst zu vermehren. Statt Verwandtschaft und Erbverbrüderung führt Fricker, 
Grundriß, S. 13, tatsächlich noch einmal Erbverbrüderung und „Samtbelehnung“ nebeneinander 
auf. v. Römer, Staats-R. u. Statistik I S. 187, S. 584, kennt sogar drei Titel: „Mitbelehn- 
schaft“, „überdies errichtete Erbverbrüderung“ und „als Agnat“. Er war wenigstens noch be- 
rechtigt, von Lehenstiteln zu sprechen; aber die beiden anderen hatten dann daneben keine selb- 
ständige Bedeutung. 
19) Bgl. oben Note 6 und 8.
	        
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