8 10. Die Rechtsstellung des Königs. 65
2. Vom Anfall der Thronfolge ist zu unterscheiden der Regierungsantritt
(Verf.-Urk. § 138). Er bedeutet die tatsächliche Ubernahme der Geschäfte durch den neuen
König; damit beginnt dieser die Ausübung der Rechte, welche durch den Erwerb der Krone
für ihn begründet wurden.
Rechtliche Bedeutung hat der Regierungsantritt mittelbar, insofern darnach eine
Ausschlagung der Krone nicht mehr möglich ist und nur noch eine Niederlegung in Frage
kommen könnte.
Sodann verbindet sich damit, gemäß Verf.-Urk. § 138, die Pflicht des neuen Königs
zur Abgabe der Verfassungszusage. Er hat „bei seinem Fürstlichen
Worte zu versprechen, daß er die Verfassung des Landes,
wie sie zwischen dem Könige und den Ständen verabschiedet
worden ist, in allen ihren Bestimmungen während seiner
Regierung beobachten,aufrechterhalten und beschützen wolle."“
Dieses Versprechen wird abgelegt in Gegenwart der sämtlichen Minister und der beiden
Präsidenten der letzten Ständeversammlung; wenn zurzeit die Stände versammelt sind,
sind selbstverständlich die beiden Präsidenten der tagenden Kammern gemeint.)
Die Pflicht zur Abgabe dieses Versprechens besteht dem Volke gegenüber
und wird erfüllt gegenüber seinem „gesetzmäßigen Organ“, den Ständen, die ihrerseits
dabei vertreten sind durch ihre Präsidenten.)
Die feierliche Urkunde, welche über das gegebene Versprechen errichtet wird,
erhalten die beiden Präsidenten ausgehändigt. Sie haben sie der Ständeversammlung
zu übergeben, und sofern dies nicht sofort geschehen kann, einstweilen im ständischen Archive
zu hinterlegen.
Durch eine im Gesetz= und Verordnungsblatt veröffentlichte „Bekanntmachung“ pflegt
die übernahme der Regierung angezeigt zu werden. Ebenso wird in diesem Blatt
die Urkunde über die Verfassungszusage zum Abdruck gebracht.10)
—
am 6. Juni 1836 starb, wurde der Verzicht wirksam und gleichzeitig mit der Bekanntmachung des
Regierungsantritts Friedrich Augusts II. in der Gesetzsammlung veröffentlicht. Er lautete: „Wir
Maximilian, Herzog zu Sachsen, erklären nicht nur unser Einverständnis hiermit (mit der Annahme
des Mitregenten), sondern verzichten auch, aus freier Bewegung, zu Gunsten Unseres geliebten
Sohnes Friedrich August, Herzog zu Sachsen, auf die Nachfolge in der Krone Sachsen.“ — Der
Verzicht „zu Gunsten“ hat keine besondere Wirkung. Der Verzicht bedeutet immer nur den Wegfall
des Verzichtenden. Zu wessen Gunsten das wirkt, das bestimmt die Thronfolgeordnung ausschließlich.
8) Der „Präsident" der zweiten Kammer ist möglicherweise nicht einmal mehr Abgeordneter,
weil die Kammer gerade aufgelöst worden ist. Angesichts des klaren Wortlautes der Verfassung
und der unverkennbaren Forderung der Zweckmäßigkeit darf man sich in dieser Hinsicht keine Schwie-
rigkeiten machen. Richtig Opitz, Staats-R. I S. 140 Note 3.
9) Es handelt sich um eine Rechtspflicht; irgendein Zwang ist nicht vorgesehen. Den König
der Krone für verlustig erklären, wenn er die Zusage nicht geben will (Bülau, Verf. u. Verw.
I! S. 109), ist Willkür. Auch die Rechtsgültigkeit seiner Regierungsakte ist nicht bedingt durch die
vollzogene Zusage; so v. Roenne, Staats-R. d. Preuß. Monarchie (1882) II S. 343; die Neu-
bearbeitung durch Zorn (1899) hat die richtige Auffassung durchgeführt (I S. 227). — Es hat
nicht viel Zweck, auf Mittel zu sinnen, wie man den König zu dieser Leistung anhalte; wenn er
sie einmal verweigerte, so könnte das nur geschehen, weil er die Absicht hätte, die Verfassung zu
brechen; das wäre Unrecht in aller Form, mehr kann der Jurist nicht sagen. Wie die Geschichte
einmal darüber urteilen wird, das weiß er nicht. — Die Verf.-Urk. § 115, Abs. 2 schreibt vor, daß
im Falle eines Regierungswechsels die Stände binnen vier Monaten zusammentreten sollen,
offenbar, um zu sehen, daß alles in Ordnung hergegangen ist.
10) Nach dem Ableben des Königs Georg veröffentlichte das Gesetz= und Verordnungsblatt
vom 20. Oktober 1904 eine Bekanntmachung des Königs, gegeben am 15. Oktober, er habe „die
Regierung vermöge des nach der verfassungsmäßigen Erbfolge an ihn geschehenen Anfalls der
Krone übernommen.“ Eine in demselben Stücke erschienene Bekanntmachung vom 17. Oktober,
Otto Mayer, Sächsisches Staatsrecht. 5