8 11. Staatsgut und Kronrente. 83
Zwecke des Staates. In dieser Richtung üben die Stände einen bedeutenden Macht-
einfluß bei Feststellung des Staatshaushaltsplanes und Prüfung der Staatsrechnungen.
Die Verf.-Urk. & 18 hat aber unabhängig vom Zweck gewisse Bestandteile des Staats-
gutes unter ihren besonderen Schutz genommen und ihre Veräußerung formell beschränkt:
„Das Staatsgut iststets in seinen wesentlichen Bestandteilen
zu erhalten und kann daher, ohne Einwilligung der Stände,
weder durch Veräußerung vermindert, noch mit Schulden
o der anderen Lasten beschwert werden“ (Abs. 1).
In Abs. 2 werden von diesem Verbote ausgenommen Veränderungen, „welche
bei einzelnen Parzellen, zu Beförderung der Landeskultur oder
zu Entfernung wahrgenommener Nachteile oder zu Berich-
tigung zweifelhafter Grenzen gut befunden werden sollten"“.
Abs. 3 fordert für alle Fälle, also namentlich auch für die mit ständischer Bewilligung
geschehenen Verkäufe, Wiederanlage der Kaufgelder in „inländischem Grundbesitz“, der
dann nach Abs. 4 an die Stelle des Veräußerten tritt.
Der Text des Abs. 1 ist aus der Württemberg. Verf.-Urk., §3 107 Abs. 1, entnommen,
wo es nur statt „Staatsgut“ heißt: „Kammergut". Grundstücke sind also gemeint.
Die weiteren Bestimmungen in Abs. 2 bis 3 haben offenbar nur solche im Auge. Der
in Abs. 5 gegebenen Vorschrift, daß den Ständen regelmäßige Nachweise über die statt-
gehabten Veräußerungen vorzulegen sind, wird genügt in Gestalt von Zusammenstellungen
„der Einnahmen und Ausgaben bei den Domänenfonds“ in der Finanzperiode, nebst
„speziellen Tabellen“ über Veräußerungen und Erwerbe. 11)
Je mehr, namentlich mit der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes, der staatliche Grund-
besitz wuchs an Gütern, die nicht unter den ursprünglichen Domänenbegriff fielen, dafür
aber mit hohen Werten in Veräußerung kommen konnten, destoweniger konnte daran
gedacht werden, die verfassungsmäßige Schutzvorschrift nur für die alten Domänen gelten
zu lassen. Es schien aber zweckmäßig, den ständischen Apparat nicht für jede Kleinigkeit
in Bewegung zu setzen. Deshalb wurde zur Beseitigung aller Zweifel und Schwierig-
keiten im Gesetz, den Staatshaushalt betr., v. 1. Juli 1904 §518 bestimmt: „Zum Staats-
vermögen, aber nicht zum Staatsgute im Sinne von 16 bis 18 der Verf.-Urk. gehörige
Grundstücke dürfen, sofern sie von erheblichem Umfange oder erheblichem Werte sind,
nur mit Zustimmung der Stände veräußert werden“.12)
Die Zustimmung der Stände wird nicht in die Form eines Gesetzes gebracht. Sie er-
scheint als einseitiger Bewilligungsakt, wie die Ausgabenbewilligung im Staatshaushalts-
11) Beispiel in Landt.-Akten 1903/04, Kgl. Dekrete Nr. 19. In der Aufstellung sind die
Kaufgelder für veräußerte Domänen und Forstgrundstücke zusammengerechnet und dann die für
erworbene. Die „speziellen Tabellen“ sollen den Deputationen vorgelegt werden.
12) Die Auffassung, daß auch § 16 der Verf.-Urk. „Staatsgut“ in einem engeren Sinne ver-
stände als „Staatsvermögen“, wird sich gegenüber der Entstehungsgeschichte und der umfassenden
Ausdrucksweise dieser Bestimmung nicht halten lassen; es gibt kein staatliches Vermögensstück,
das hier nicht unterkäme. In einem beschränkten Sinne, nämlich in dem von Kammergut, verstehen
das Wort allerdings, wie wir gesehen haben, die §§ 17 u. 18. Es scheint aber, daß jetzt Loebes oben
erwähnte Unterscheidung, die er schon in der ersten Ausgabe seines „Staatshaushalts“ (1889),
S. 61, aufgestellt hatte, hier Einfluß geübt hat. Auch der Berichterstatter der I. Kammer (Mitt.
1904/05, II. Bd. S. 692) war der Meinung, es müsse durch den §& 18 des Ges. v. 1904 „die etwas
unllare Rechtsstellung, welche dieses Staatsgut in der Verfassung hat, erläutert und ergänzt
werden.“
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