$ 8. Die Verwaltungsrechtsquellen. 89
Bei der öffentlichen Genossenschaft findet sich ein
eingeräumtes Selbstgesetzgebungsrecht und daraus hervorgehende
Satzung verhältnismäßig seltener. Dafür gibt es hier noch
zweierlei andere Ordnungen allgemeiner Art, die man mit
dem Namen Statut bezeichnet.
Im Gegensatz zur Gemeinde bilden nämlich die Angehörigen
der öffentlichen Genossenschaft einen Verein, dessen innere Ge-
staltung im wesentlichen der des privatrechtlichen Vereines ent-
spricht. Die Gründung des Vereins setzt voraus die Feststellung
der Verfassung, nach welcher er leben soll, das Gründungsstatut.
Das ist Vertrag oder Verwaltungsakt, in keinem Falle Rechtssatz
(vgl. unten $ 55).
Der in's Leben getretene Verein aber hat, nach Maßgabe dieses
Statuts, eine gewisse Macht über seine Mitglieder, um durch seine
Vertreterschaft genauer zu bestimmen, was ihnen zukommt und
was sie zu leisten haben. Diese Macht ist die Vereinsgewalt.
Die einzelnen Akte, durch welche sie ausgeübt wird, heißen
Statuten, besser, zum Unterschied vom Gründungsstatut, statu-
tarische Vorschriften. Sie sind bei der Öffentlichen Ge-
nossenschaft ebensowenig Rechtssätze wie beim privatrechtlichen
Verein: sie wirken nur mit der Kraft der bereits begründeten
allgemeinen Mitgliedspflicht. Bei der öffentlichen Genossenschaft,
wo diese Mitgliedspflichten öffentlichrechtlicher Natur sind, stehen
die statutarischen Vorschriften unseren Verwaltungsvorschriften
gleich ".
ist (Rosin, Polizeiverord.R. S. 259 ff.; Lukas, Gesetzespubl. S. 7ff.; Laband,
in Arch. f. öfl. R. XV11I S. 809 ff.; Thoma, Polizeibefehl S. 430 ff.), für Ver-
waltungsvorschriften aber genügt, daß sachlich das Zweckmäßige geschehen ist.
Das Preuß. 0.V.G. und ebenso das R.G. haben hier die Grenzlinie nicht immer
richtig gezogen: Jebens, in Pr. Verw.Bl. XXI S. 333ff.; Anschütz, in Pr.
Verw.Bl. XXII S. 86.
11 Die Regelung des Lehrlingswesens nach Gew.O. $ 8la Ziff. 3 verpflichtet
die Meister, die der Innung angehören, dieser gegenüber durch einen Akt der
Vereinsgewalt. Wenn dagegen die Innung auf Grund der Ermächtigung in
8 130 die im Innungsgewerbe zulässige Zahl von Lehrlingen beschränkt, so
wirkt das auch für solche, die der Innung nicht angehören, insbesondere für
die Lehrlinge, die das zivilrechtlich verwerten können. Daran zeigt sich aber
die besonders verliehene Rechtssatzkraft. Sie bildet die Ausnahme. Ordent-
licher Weise beschränkt sich die Wirksamkeit der Innung auf ihre Mitglieder,
und diesen gegenüber kommt sie mit der Vereinsgewalt aus.
Die Lehrmeinung, welche hier überall Autonomie und rechtsnormschaffende
Satzung sieht, kommt deshalb zu der für einen Rechtssatz auffallenden Fest-
stellung, diese körperschaftlichen Rechtssätze gälten nur für die Angehörigen