$ 8. Die Verwaltungsrechtsquellen. 93
von denen besorgt, die die nächsten dazu sind, in einer von selbst
sich ergebenden Ordnung, die nach dem Maße des Beteiligtseins
und der Leistungsfähigkeit sich richtet. Das befestigt sich durch
die Sitte, hängt am Gut, am Grundstück, am Viehbestand, und
erfaßt jeden, der mit solchen Beteiligungsmerkmalen neu in diesen
örtlichen Verband eintritt. Der Polizeistaat nimmt sich dieser
Wege-, Brücken-, Schul-, Armenverbände kräftig an und erzwingt
die üblichen Leistungen obrigkeitlich; es entsteht die öffentliche
Verbandslast (vgl. unten $ 48, II). Wegen des Verteilungs-
maßstahes beläßt er es bei dem Vorgefundenen. Es ist anerkannt,
daß unter den Beteiligten Verschiebungen eintreten können durch
die Rechtstitel des Vertrags oder der Ersitzung. Die ohne solche
Besonderheiten schlechthin auf die Beteiligung am Verbande ge-
gründete Pflicht führt man dann der guten Ordnung halber auf
ein örtlich und persönlich beschränktes Gewohnheitsrecht zurück
mit dem aktenmäßig klingenden Namen Observanz.
Der Verfassungs- und Rechtsstaat hat diese Verhältnisse fort-
bestehen lassen; sie haben ein ziemlich ınannigfaltiges Anwendungs-
gebiet gewonnen, auch auf städtischem Boden; man meint sogar,
daß dergleichen sich jetzt noch neu bilden könne. Dann hätten
wir soweit allerdings auch heute noch die (rewohnheit als Ver-
waltungsrechtsquelle.
Es darf aber wohl der Zweifel aufgeworfen werden, ob es
sich hier in Wahrheit auch um ein Gewohnheitsrecht handelt. Die
Pflichtenverteilung innerhalb eines solchen Verbandes bedeutet
keinen Rechtssatz, sondern Ordnung einer ganz bestimmten Reihe
von Einzelverhältnissen. Das Übereinkommen und die Ersitzung,
bei denen es sich doch nur um subjektive Rechte handeln kann,
liefern dazu vollkommen gleichwertige Stücke?°. Was hier Obser-
vanz und was Ersitzung sei, hat von jeher den Gerichten Mühe
gemacht zu unterscheiden. Und andererseits ist auch schon die
Meinung vertreten, die Observanz selbst beruhe eigentlich nur
0 O.V.G. 7. Febr. 1883 (Entsch. IX S. 69), 15. Mai 1885 (Entsch. XII
S. 258): „In welchem Maße Dominium und Untertanen zu den Polizeianstalten
beizutragen hatten, regelte sich meist durch Vertrag und Herkommen“. —
Man hat sich bemüht, den Vertrag für die Rechtssatznatur dieser Dinge
unschädlich zu machen, indem man ihn unter dem Namen „Vereinbarung“ zu
einer Art „Rechtssatzung“ stempelt, wobei wieder der fabelhafte „Gemeinwille“
seine Dienste leisten muß: Binding, Gründung d. Nordd. Bundes S. TU:
Jellinek, Subj. öff. R. S. 204 ff.; Anschütz, in Preuß. Verw.Bl. X\XII 5.89.
Darüber Gleitsmann im Verw.Arch. X S. 395 fi.