89. Der Verwaltungsakt.' 101
2. Das Urteil des Richters ist seinem ganzen Inhalt nach
durch das Gesetz bestimmt. Es wird gefunden durch An-
wendung des Rechtssatzes auf den aus dem Verfahren sich er-
gebenden Tatbestand und spricht nur aus, was nach dem Willen
des Gesetzes für diesen Fall Rechtens ist: darin besteht das innere
Wesen der Entscheidung, die es gibt. Das Verhältnis zum Gesetz
wird auch dann nicht anders, wenn der Richter die Entscheidung
anzupassen hat einem im voraus nicht genügend zu würdigenden
Tatbestande, namentlich ein Mehr oder Weniger zu bestimmen,
das dem anzunehmenden Willen des Gesetzes entspräche. Man
nennt das richterliches Ermessen. Auch dieses ist noch ge-
bunden, ist Gesetzesanwendung, Entscheidung, Rechtsprechung "®.
Der Verwaltungsakt weist die gleichen Erscheinungen auf.
Aber er geht noch weiter in dem der Behörde zustehenden Anteil.
Das Gesetz kann dieser überlassen, daß sie durch ihren Entschluß
den Akt ins Werk setze oder schöpferisch ergänze,
nicht um zu sagen, was es selbst hier gewollt hat, sondern was
sie, die Behörde, für richtig hält. Es kann auch der ganze
"Akt der Behörde so anheimgestellt sein, wenn das Gesetz es be-
stimmt, oder wenn es sich um einen selbständigen Verwaltungsakt
handelt (oben Il n. 1), bei dem sich das von selbst versteht.
Hier ist es dann nicht mehr eine, wenn auch noch so weit-
gehende Auslegung des (resetzes, was dem zu äußernden Staats-
willen den Inhalt gibt, sondern eigene Erwägung des Gemein-
wobles („öffentlichen Interesses“), der Billigkeit, der Zweckmäßigkeit.
Man spricht von administrativem Ermessen, was da geübt
wird, oder von freiem Ermessen“.
Alles kann man auch mit seiner Einwilligung dem Einzelnen nicht so
auflegen. Strafbares, Gesetzwidriges, Unsittliches ist selbstverständlich aus-
geschlossen: Laband, St.R. II S. 195 Note 1; Kormann, Rechtsgeschäftl.
Staatsakt S. 233 fl. Es gibt aber wohl noch andere Grenzen; Freiheitsstrafen
z. B. oder öffentliche Ehrenämter werden über das gesetzlich Zugelassene hinaus
nicht durch freiwillige Übernahme auflegbar.
18 Laband, St.R. II S. 187; Seydel, Bayr. St.R. I S. 591, Stier-
Somlo, Festgabe f. Laband II S. 45ff. — Ausnahmsweise ist auch dem
Richter Spielraum gegeben über dieses gebundene Ermessen hinaus. Als Bei-
spiel wurde in 1. Aufl. 1 S. 167 die damals noch zulässige Teilungsklage an-
geführt, wo der Richter durch Urteil jedem der Erben sein Teil zuweist, wie
es für alle das Beste ist. Tezner, Theorien d. Verw.R.Pfl. S. 230 Note 66,
teilt diese Auffassung und verteidigt sie gegen mich, weil ich angeblich für
diesen Fall ein gebundenes Ermessen behauptet hätte.
4 Laband, St.R. 11 S. 179: „Die Gebundenheit liegt im Wesen der
(richterlichen) Entscheidung, die rechtliche Freiheit der Entschließung im Wesen