108 Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
Die staatlichen Rechte pflegen uns in einer gewissen Stufen-
folge dargeboten zu werden.
Ganz oben finden sich manchmal noch die alten Hoheitsrechte.
Meist steht dafür jetzt ein umfassendes Recht auf Beherr-
schung und Gehorsam, dem dann auch die allgemeine Ge-
horsamspflicht der Untertanen entsprechen soll; daraus folgen
wieder mehrfache Unterrechte und Unterpflichiten — alles nur
Versuche, die große Tatsache der umfassenden Gewalt mit den
daraus sich ergebenden Möglichkeiten zu schablonisieren ®.
Der Vorbehalt des (resetzes zieht gewisse Schranken. Wenn
dann ein Gesetz ergangen ist, es soll enteignet, besteuert, ein-
quartiert werden können, so beeilt man sich zu sagen: jetzt habe
der Staat das Recht erworben, solche Dinge vorzunehmen. In
Wahrheit ist es vorerst nichts anderes als eine Zuständigkeits-
erteilung zur Ausübung jenes großen Rechtes auf Gehorsam,
das selbst keines ist.
Die äußere Gestalt eines Rechtes des Staates erhält die Ent-
faltung seiner öffentlichen Gewalt erst, wenn sie sich verdichtet
zu bestimmten einzelnen Vorteilen, die dem Staate nun
beigelegt sind: Steuerforderung, Anspruch auf Vornahme der
befohlenen polizeimäßigen Herstellung eines Bauwerks, Rayon-
servitut an einem Grundstück, Öffentliches Eigentum an einem
Wasserlauf. In solchen Fällen gewinnt wenigstens die Vorstellung
an Leichtigkeit, wenn die Denk- und Sprechweise des Zivilrechts
entlehnt wird. Die Verwandtschaft mit den Rechten, welche dieses
ausgebildet hat, zeigt sich am auffallendsten daran, daß unter
Umständen jene „öffentlichen Rechte“ des Staates einem Privat-
Schon bei den Kriminalisten ist die Sache nicht so glatt; vgl. Binding,
Str.R. I S. 188 Note 4.
8 Schmitthenner, St.R. S. 280; Zachariae, St.u. Bd.R. I S. 472 ft.;
Held, Verf.R. II S. 592; Pözl, Bayr. SER. IS. 360 ff.; Schulze, St.R. I
S.860 ff.; v. Roenne, Preuß. St.R. 11 S. 212 ff.: v. Roenne-Zorn Il S. 79 ff;
v. Kirchenheim, Einf. S. 22; Bornhak, Preuß. St.R. I S. 258; Gareis,
Allg. St.R. S. 9; G. Meyer-Anschütz, St.R. S. 8i8ff.; Laband, StR. I
S. 140.
* Jellinek, Ges. u. Verord. S. 200, drückt das Verhältnis der beiden
Stufen in der Weise aus, wie man früher den Staat sich Hoheitsrechte „bei-
legen“ ließ (vgl. oben $ 3 Note 4): der Staat hat von vorneherein „potenziell“
alle ordentlichen Hoheitsrechte, „aktuell“ erhält er sie, indem er durch Er-
lassung eines Gesetzes „seine Tätigkeit auf individuell bestimmte Seiten des
Gemeinwesens richtet“; dabei soll dann (Subj. öft. R. S. 197 Note 2) „objektives
und subjektives Recht ineinander übergehen“. Bei einem alten Hoheitsrecht
kann man am Ende so sagen. Aber das gibt’s doch nicht mehr.