Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

8 15. Arten der Verwaltungsstreitsachen. 165 
den Tatbestand, so daß aus dieser Anwendung die Handlung der 
Behörde hervorgeht. Der Fall ist für die Nachprüfung gedeckt 
durch die soeben besprochene Bestimmung L.V.G. $ 127 Abs. 3, 
Ziff. 1. 
Und sie kann geschehen durch das der Behörde überlassene 
freie Ermessen, welches von jenem Tatbestande aus zu diesem 
Handeln die Brücke schlagen darf. In diesem Falle bedeutet die 
Prüfung, ob ein ausreichender Tatbestand dem Handeln zugrunde 
lag, notwendig auch eine Nachprüfung der Richtigkeit des ver- 
bindenden freien Ermessens. Das ist die Tragweite der Be- 
stimmung L.V.G. $ 127 Abs. 3, Ziff. 2 ihrem Wortlaute nach. 
Auch die gesetzgeberischen Erwägungen, aus denen sie hervor- 
ging, weisen darauf hin, daß hier ein Mehr gewollt war über die 
Rechtsanwendungsfrage hinaus ®®, 
Das ist schließlich auch die Auffassung, nach welcher diese 
Bestimmung tatsächlich von der Verwaltungsgerichtsbarkeit gehand- 
habt wird. Dabei ist wohl zu beachten, daß es sich hier um eine 
beschränkte Nachprüfung handelt, um eine „Rechtskontrolle“. Ein 
Verwaltungsgericht kann auch berufen sein, eine mit freiem Er- 
messen ergangene Verfügung in voller Rechtspflege nachzuprüfen; 
dann erläßt es sie einfach an Stelle der Unterbehörde noch 
einmal, indem es selbst mit freiem Ermessen handelt und be- 
#® Die Formulierung der Gründe zur Anfechtungsklage stammt aus dem 
Zust. Ges. v. 26. Juli 1876; das ganze Rechtsinstitut ist das Werk der 
Kommission des Abgeordnetenhauses, zu deren Mitgliedern auch Gneist und 
Lasker gehörten. Der Bericht (Sten. Ber. d. Abg. Hauses 1876 Anl. n. 280, 
Bd. III S. 1455) hebt die Schwierigkeit hervor, welche die preußische Polizei 
hier bereitete: „Für ihr Eingreifen ist allein bestimmend die Rücksicht auf 
das öffentliche Wohl, und die Befugnis zum Eingreifen leitet sie von der ge- 
setzlichen Vollmacht her“. Doch rechnete man zunächst auf die von 
Gneist so oft betonte Dehnbarkeit, welche die Prozeßinstitute bei ihrer Über- 
tragung auf die Verwaltung von selbst bekämen. So konnte am Ende den 
Schranken zum Trotz, welche die oberste Rechtskontrolle im Zivilprozeß ein- 
hielt, schon mit $ 33 n. 1 des Gesetzes (jetzt L.V.G. $ 127 Abs. 3 Ziff. 1) eine 
wirksame Überwachung des richtigen Gebrauchs jener Vollmacht sich ent- 
wickeln. Die Kommission hat sogar geglaubt, man könne eher umgekehrt 
damit zu weit gehen und alles nachprüfen. Um nach jeder Richtung sicher 
zu sein, entschbloß man sich zu $ 3 n. 2 (jetzt L.V.G. $ 127 Abs. 8 Ziff. 2): 
es sollten dadurch einerseits „gewisse im Zivilprozeß gewohnte Anschauungen 
über die Abgrenzung des nachzuprüfenden Tatbestandes ferugehalten werden“, 
und sollte anderseits „gegen eine zu weite Ausdehnung der Sachprüfung 
als ausschließlicher Zweck derselben bezeichnet werden, ob die tatsäch- 
lichen Verhältnisse zum Erlasse der Verfügung berechtigt haben‘ (a. a. O. 
S. 1457).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.