8 16. Die Rechtskraft in Verwaltungssachen. 167
Da die hier betrachtete Anfechtungsklage das freie Ermessen
einer Nachprüfung nur unterwerfen soll, wo und soweit es ein
Seitenstück bildet zu der Rechtsanwendung, um wie diese das
Handeln der Behörde an einen vorausgesetzten Tatbestand zu
knüpfen, so läßt sie viele Fälle des freien Ermessens unberührt.
Denkbar ist eine Berechtigung der Behörde, wonach sie in einem
gegebenen Verhältnis nach Gutdünken zu handeln hat, ohne auf
das Eintreten von Tatsachen bestimmter Art zu warten?® Vor
allem aber greift das freie Ermessen, wenn in der einen oder
anderen Weise feststeht, daß gehandelt werden soll, immer noch
Platz bezüglich der Auswahl der Mittel, durch welche diese
Berechtigung ausgeübt wird, und dafür gilt unsere Anfechtungs-
klage nicht ?”.
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Fortsetzung; die Rechtskraft in Verwaltungssachen.
Das Wort Rechtskraft wird mannigfach verwendet, um die
Wirksamkeit von Willenserklärungen auf dem Boden des Rechtes
zu bezeichnen. Und zwar handelt es sich dabei — wenn auch
dazwischen einmal von rechtskräftigen Verträgen oder Testamenten
geredet wird — wesentlich um obrigkeitliche Willenserklärungen:
Rechtskraft von Gesetzen, Verordnungen, Gemeindebeschlüssen,
Enteignungsaussprüchen, Polizeiverfügungen. Sein scharfes wissen-
schaftliches Gepräge hat der Begriff aber erst erhalten im Zu-
sammenhang des Prozeßrechts, in der Lehre von der res
Judicata, dem rechtskräftigen Urteil. Damit allein haben
wir es zu tun; alle andere Verwendung des Wortes geht uns
nichts an!.,
Tatsachen vorausgesetzt hat, die nach dem wahren Sachverhalt nicht vor-
handen sind.“
96 Bad. V.G.H. 5. Jan. 1909 (Reger XXIX S. 350).
327 0.V.G. 21. März 1879 (Entsch. II S. 393). v. Laun, freies Ermessen
S. 111, glaubt die Nachprüfung freien Ermessens, wie ich sie in der Be-
stimmung des Bad. Verw.R.Pfl.Ges. $ 4 Abs. 2 Ziff. 2 finde, widerlegt durch
Abs. 4, der „die Angelegenheiten des Ermessens von der Zuständigkeit des
V.G.H. ausschließt.“ Allein das tut Abs. 4 nicht; er schließt die Klage aus
„insoweit die Behörden nach Ermessen zu verfügen berechtigt sind“; das
ist der hier und in der vorigen Note bezeichnete Fall. Ob sie aber zu verfügen
berechtigt sind, das kann gemäß Abs. 2 Ziff. 2 festgestellt werden durch Nach-
prüfung des die Befugnis dazu aus dem Tatbestand ableitenden freien Ermessens.
ı Für die Zivilprozessualisten wird das selbstverständlich sein. Die Ver-
waltungsrechtspflege, die ja eine Nachbildung ist, hat den Zusammenhang
übernommen: Fuisting, in Verw. Arch. IV S. 3ll; Schultzenstein, Gut-