Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

8 16. Die Rechtskraft in Verwaltungssachen. 171 
S. 148), als die Partei oder eine der Parteien. Wenn man aber für 
das Verfahren in dem Bedürfnis, die vom Zivilprozeß her ge- 
wohnte Doppelseitigkeit überall hergestellt zu sehen, den eigent- 
lichen Staat und seine Behörden gleichfalls als Parteien in An- 
spruch nahm und wenigstens eine Parteirolle von ihnen besetzen 
ließ (oben $ 14, III n. 3), so ist es hier beim Urteil mit aller 
solcher Gleichstellung zu Ende. Selbstverständlich wirkt das Urteil 
auch auf den Staat und seine Behörden, auf die vollziehende Ge- 
walt also, zurück; aber eben in ganz anderer Weise, als es auf 
die Parteien wirkt: 
Den Parteien wird nach Untertanenrecht ihr Schick- 
sal bestimmt, der einen befohlen zugunsten der anderen, und dieser 
letzteren der Anspruch gewährt auf Geltendmachung und Durch- 
führung dieses Befehls. Die Rechtskraft verstärkt Vorteil wie 
Nachteil durch die Unabänderlichkeit. 
Die vollziehende Gewalt aber ist gebunden an den von ihr 
ausgegangenen obrigkeitlichen Akt, Verwaltungsakt wie Urteil, nach 
den Regeln der Vollziehung, so daß alles weitere Tun, das 
in ihrem Namen stattfindet, die dadurch gegebene Richtung ein- 
halten muß (vgl. oben $ 9, In.3). Die Rechtskraft bedeutet nur, 
daß sie sich von dieser Gebundenheit nicht mehr frei machen kann. 
Für diese Wirkung des Urteils ist es gleichgültig, ob der Staat durch 
eine prozeßführende Behörde teilgenommen hat am Verfahren oder 
nicht. Ebenso macht es für ihn keinen Unterschied, ob vor seinem 
Verwaltungsgericht, wie in der Justiz, zweierlei Parteien gestanden 
haben, oder, wie hier meistens, nur eine. Bestimmt er im ersten 
Fall der einen zu Liebe, der anderen zu Leid, so bestimmt er hier 
der einzigen entweder zu Liebe oder zu Leid. Die bindende Kraft 
seines Aktes und die Gebundenheit seiner vollziehenden Gewalt 
daran ist die nämliche. Wenn die Rechtskraft auch in dieser 
Richtung ihre Unverbrüchlichkeit verstärkend hinzufügt, so ver- 
stärkt sie etwas ganz anderes als bei der Partei’. 
  
? Nach Preuß. Ges. v. 25. Aug. 1876 $ 13 bedarf die Gründung einer 
neuen Ansiedlung der Genehmigung der Ortspolizeibehörde. In dem voraus- 
gehenden Verfahren kann der Besitzer des Nachbargrundstückes Einspruch 
erheben. Der abgewiesene Antragsteller klagt dann gegen den Wider- 
sprechenden und die Ortspolizeibehörde; ist kein Widersprechender auf- 
getreten, gegen diese allein. Ersteren Falles spricht man von einer „not- 
wendigen Streitgenossenschaft“ (0.V.G. 20. April 1895; Entsch. XXVIII S. 383). 
Aber schon im Verfahren läßt sich dieses zivilprozeßrechtliche Vorbild nicht 
glatt durchführen (Schultzenstein, in Verw. Arch. II S. 148 f.), die Orts- 
polizeibehörde hat ja nur eine Öffentliche Parteirolle, dem Staatsanwalt gleich
	        
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