$ 16. Die Rechtskraft in Verwaltungssachen. 173
Nimbus, der in den Augen des Volkes die Justiz umgeben soll,
und vor wiederholter „Behelligung“ mit derselben Sache nicht ge-
schützt zu sein, liegt nur allzu sehr in ihrem Gewohnten. Aber
die neuen Verwaltungsgerichtshöfe an der Spitze sind zweifellos
den obersten Justizstellen gleichwertig; eine Scheidung läßt sich
nicht wohl machen, und so hat sich die Meinung durchgesetzt,
wonach absolute Rechtskraft der Urteile grundsätzlich für alle
Arten von Verwaltungsgerichten anzunehmen ist. Fragt sich also
nur, ob diese absolute Rechtskraft auch hier die Urteile so
lückenlos erfaßt, daß für ein Wirksamwerden der relativen und
des Rechtes am Urteil kein Spielraum bleibt.
Tatsächlich ergeben sich auf dem Boden der Verwaltungsrechts-
pflege trotz der grundsätzlichen Gleichwertigkeit ihrer Gerichte
mit denen der Justiz zweierlei Fälle, in welchen die Voraus-
setzungen, die zur Annahme einer absoluten Rechtskraft geführt
haben, nicht zutreffen, und jedes Mal hat das geltende Recht
darauf in der entsprechenden Weise geantwortet !.
1. Der Zivilprozeß sieht die richterliche Tätigkeit in der An-
wendung des Gesetzes auf den Einzelfall, in dem Ausspruch
dessen, was das Gesetz hier gewollt hat. Für dieses Geschäft des
Richters wird jene Treffsicherheit in Anspruch genommen, die eine
Nachprüfung der ordentlicher Weise von ihm erledigten Sache un-
nötig und unzulässig macht: pro veritate habetur! In der Ver-
waltung gibt es daneben zahlreiche Fälle, wo die Behörde nicht
die viva vox legis sein soll, sondern ausspricht, was sie selbst
namens des Staates will, weil sie es für gut und zweckmäßig hält
nach ihrem freien Ermessen (vgl. oben $ 13 Note 7). Hier greift
jene Rücksicht auf das Rechtssicherheitsgefühl, die für das Gesetz
einen als unfehlbar geltenden Ausleger verlangt, nicht Platz un
folglich die absolute Rechtskraft nicht. Folglich muß hier das
Recht am Urteil erscheinen können. Es kommt auf die näheren
Umstände an.
10 Darum 'sind relative Rechtskraft und Recht am Urteil für uns aller-
dings noch von Bedeutung. Vgl. vor allem Fuisting, in Verw. Arch. IV
S. si f. — W. Müller, Rechtskraft im Verwaltungsstreitverfahren, will bier
überhaupt nur relative Rechtskraft anerkennen, die er im wesentlichen be-
stimmt wie ich; das Recht am Urteil leugnet er nur deshalb, weil er sub-
jektive Rechte überhaupt verwirft (dazu Arch. f. öfl. R. XXVII S. 342 ff.), —
Umgekehrt überbietet mich Kuttner, Urteilswirkungen S. 244 f., indem er
auch die absolute Rechtskraft als ein „subjektives öffentliches Recht“ des
Staates darstellt und die relative als ein subjektives öffentliches Recht „jedes
Privatmanns“.