184 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
unbefugterweise die vor ihr wahrzunehmenden Seiten des Gemein-
wohles in nachteiligem Sinne beeinflußt. Auch dann noch ist die
Verwaltung berechtigt, sich für verletzt zu erklären und die noch
zu betrachtenden Abwehrmaßregeln gegen den Übergriff zur Geltung
zu bringen (vgl. unten n. 3),
2. Die Machtverteilurg setzt Grenzen nur nach Maßgabe des
durch die Anordnung unmittelbar zu bestimmenden Verhältnisses ;
was weiter erwogen werden mußte, um zu dieser Anordnung zu
gelangen, kommt nicht in Betracht; insbesondere ist es kein Über-
griff, wenn dabei ein Verhältnis zu würdigen war, das zu selb-
ständiger Entscheidung der anderen Behördenreihe angehören
würde. Die fremdrechtliche Vorfrage wird von der Zu-
ständigkeit zur Hauptfrage mit ergriffen ’®.
18 Hier sind vor allem die Fälle bedeutsam geworden, wo ein gericht-
liches Zwangsvollstreckungsverfahren durchgeführt werden soll gegen einen
fremden Staat. So seinerzeit die Pfändung österreichischer Eisenbahnwagen,
welche den Bayrischen Kompetenzgerichtshof beschäftigte (Annalen 1885 S. 323 f}.),
und neuerdings der Fall Hellfeld, Pfändung eines Bankguthabens des russischen
Staates, erledigt durch Entscheidung des Preuß. Kompetenzgerichtshofs v.
25. Juli 1910 (abgedruckt mit den in der Sache erstatteten Gutachten bei Brie
und Fleischmann, Abhandl. Heft 23), Das Gericht überschreitet seine
Macht, indem es gegen die exterritoriale Staatsgewalt vorgeht, dadurch stört
es die guten Beziehungen, deren Pflege dem Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten obliegt. Daß man das ausdrückt als einen Streit um „die Zu-
ständigkeit zur Erledigung der Streitsache im Wege diplomatischer Verhand-
lungen“ (Annalen a. a. 0. S. 334; Brie und Fleischmann a. a. O. S. 174)
geschieht bloß, um sich dem unzulänglichen Wortlaute des Kompetenzkonflikts-
gesetzes anzupassen. In Wirklichkeit hat ja das Gericht diese Zuständigkeit
der Verwaltung gar nicht für sich in Anspruch genommen.
18 So für die Verwaltung O.V.G. 18. Juni 1897 (Entsch. XNX11I S. 215)
Für die Gerichte gilt das gleiche. Sie können allerdings, wie ja die Ver-
waltung auch, wegen der fremdrechtlichen Vorfrage die Sache aussetzen, bis
die jenseitige Behörde gesprochen hat (Z.P.O. 8 148); das ist Zweckmäßigkeits-
frage. In diesem Punkte besteht aber ein tiefer Gegensatz zwischen unserem
Rechte und den von eifersüchtigem Mißtrauen gegen die Gerichte erfüllten
Regeln des französischen. Dort kann die Justiz ebenfalls einen Verwaltungs-
akt nicht selbst erlassen; sie kann einen solchen aber auch nicht, wo es etwa
zur Lösung einer Vorfrage darauf ankommt, apprecier, auf seine Gültigkeit
prüfen. oder tnterpreter, auslegen, wo der Wortlaut irgend zu Zweifel Anlaß
geben könnte; sie muß in solchem Falle ihr Verfahren aussetzen, bis von der
Verwaltung der erforderliche Ausspruch erholt ist (Theorie d. franz. Verw.R.
S. 92 ff... Unter dem Einfluß dieser Anschauungen wurde in Bayern behauptet,
die Landesgesetzgebung sei befugt, das „kann“ aussetzen des 8 139, jetzt $ 148
Z.P.O. in ein „muß“ zu verkehren: Hauser in Ztschft. f. Reichs- u. Landes-
recht IV S. 265 ff.; Petersen, Z.P.O. zu 8 139, II n. 2; Seydel, Bayr.
St.R. I S. 587.