Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

206 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. 
Dem entspricht auch die Wirkung der ergangenen 
Vorentscheidung. Ist sie verneinend ausgefallen, so bewendet 
es bei dem Verbot und der formalen Unzulässigkeit der Rechts- 
verfolgung. Hat sie die Amtspflichtverletzung festgestellt, so be- 
seitigt sie das Hindernis, aber ihre Wirkung geht nicht darüber 
hinaus: das ordentliche Gericht geht jetzt frei seinen Weg, ohne 
irgendwie an das Festgestellte gebunden zu sein 92, 
3. Der Staat kann, wie oben I n. 3 ausgeführt, auch für den 
Fall, daß der Beamte in Ausübung der öffentlichen Gewalt sich 
verfehlt hätte, die Haftung für den Schadensersatz neben ihm oder 
statt seiner übernehmen. Die Landesgesetze, die das anordneten, 
haben zum Teil auch die Klage gegen den Staat unter 
das Erfordernis der Vorentscheidung gestellt®®, 
Die Gründe, welche für das Reichsrecht maßgebend waren, 
um diese Schutzvorkehrung zugunsten des Beamten zuzulassen, 
haben keinen Sinn noch Platz, wenn es der Staat ist, der verklagt 
werden soll. Der Wortlaut des $S 11 E.G. z. G.V.G. trifft auch 
Lasker in den Reichstagsverhandlungen mit dem Satze: „Keine ins bloße 
Belieben gestellte Entscheidung, und die Entscheidung nicht von einer Ver- 
waltungsbehörde, sondern von einem wahrhaften Gericht“ (Hahn, Mat. 2. 
G.V.G. 11 S. 1616 f.). 
83 Preuß. Konfl. Ges. v. 23. Febr. 1854 $ 3 S. 2 ist bestehen geblieben, 
wonach die Vorentscheidung, welche die Amtspflichtverletzung feststellt, „dem 
Gerichte in seiner rechtlichen Entscheidung der Sache nicht präjudiziert.“ 
Selbst ein Kompetenzkonflikt wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs ist alsdanıı 
noch möglich: v. Brauchitsch, Verw.Ges. I zu Ges. von 1854 Anm. 16. 
Vgl. auch Oppenhoff, Ressortverh. (1906), S. 412 Anm. 79 ff. Andererseits 
wird die Vorentscheidung, welche die Verfolgung ausschließt, in den Reichstags- 
verhandlungen ihrer Wirkung nach bezeichnet als „Abweisung ab instantin“ 
(Hahn, Mat. z. G.V.G. II, S. 1624), als „Zurückweisung per decretum“ 
(a. a. 0. S. 1630). 
Im Gegensatz dazu bestimmt das Bayr. V.GH.Ges. Art.7 Abs. III: „Die 
Vorentscheidung ist für das Gericht bindend“. Sie wirkt, falls sie die Amts- 
pflichtverletzung bejaht, wie eine „Verurteilung“, „wie wenn das Zivilgericht 
in eigener Zuständigkeit ein Zwischenurteil über die Vorfrage erlassen hätte“. 
Selbst die Frage des Verschuldens des Beamten, ob vorsätzlich oder fahr- 
lässig, ist bindend festgestellt: Reger-Dyroff, V.G.H.Ges. zu Art. 7 Abs. 3 
Anm. 12; Krais, in Bl. f. adm. Pr. L S. 3831 ff.; Schelhorn, in Annalen 
1906 S. 684 ff. Das ist natürlich wieder nichts anderes als die alte französische 
Zuständigkeitsverteilung bezüglich der öffentlichrechtlichen Vorfrage, die durch 
$ 11 E.G. z. G.V.G. nicht gedeckt, folglich unzulässig ist. Gravenhorst, 
Konflikt, S. 182 Note 4, hebt das mit Recht gegen Schelhorn hervor, nur trifft 
der Vorwurf nicht diesen, sondern das Bayrische Gesetz, das er kommentiert. 
83 Preuß. Ges. v. 1. Aug. 1909 $ 2; Bayr. V.G.H.Ges. v. 8. Aug. 1878 Art. 7 
Abs. 2; Bad. Ges. v. 17. Juni 1899 Art. 5 Abs. 2.
	        
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