Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 1. Der Begriff der Verwaltung. 9 
gerade der Gegensatz dieses vierten Gebietes zum Bewußtsein 
bringen muß. Die Verwaltung ist, wie wir das oben ausführten, 
die letzte der Staatstätigkeiten gewesen, die sich nach und nach 
ablösten von dem ursprünglich alles umfassenden Begriffe der 
Regierung. Die Ausscheidung des Begriffes der Verwaltung vollzog 
sich in der deutschen Rechtssprache in der ersten Hälfte des 
vorigen Jahrhunderts im Anschluß an die Einführung des neuen 
Verfassungsrechtes und des damit einsetzenden Strebens nach 
weiterer Ausbildung des öffentlichen Rechtes. Der Begriff brachte 
die Forderung des Rechtsstaates mit auf die Welt: die Ver- 
waltung ist von Anfang an gedacht als Tätigkeit des Staates, die 
bestimmt ist, unter seiner Rechtsordnung, unter der neu- 
geschaffenen Form ihrer Erzeugung, unter seiner Gesetzgebung 
zu Stehen '%. 
Daraus ergibt sich von selbst, daß ausgeschlossen sind von 
der Verwaltung alle Tätigkeiten des Staates zur Verwirklichung 
seiner Zwecke, mit welchen er aus dem Bereiche dieser 
Rechtsordnung heraustritt. Daß der Staat das kann, 
wird nur dem einseitig zivilistisch geschulten Denken Schwierig- 
keiten machen. Es genügt hier zu verweisen auf die Fälle, in 
welchen es wirklich zutrifft. 
Das erste Beispiel gibt der völkerrechtliche Verkehr. 
Vertragsschlüsse mit fremden Staaten und diplomatische Schritte 
bei ihren Regierungen, Vorstellungen, Beschwerden, Drohungen, 
der ganze nach Reichsverfassung Art. 3 Abs. 6 allen Deutschen 
zu gewährende Schutz, das alles steht für seine Verwirklichung 
14 Um den wesentlichen Zusammenhang der Verwaltung mit der Rechts- 
ordnung auszudrücken, sagt Klüber, D. St. u. Bd. R. $ 41, von ihr, sie be- 
stehe „in rechtmäßiger und zweckmäßiger Ausübung der Hoheits- und Eigen- 
tumsrechte des Staates“. Am deutlichsten wird die Loslösung der Verwaltung 
von der Regierung auf ihren besonderen Zusammenhang mit dem Rechte be- 
gründet bei Schmitthenner, St.R. S. 483: „Die Regierungsgewalt darf mit 
dem bloßen Recht der Verwaltung, als demjenigen, innerhalb der Schranken 
des Rechtes die öffentlichen Interessen zu normieren, nicht für gleichbedeutend 
gehalten werden“. — Daran knüpft sich dann der viel wiederholte Gedanke, 
daß die Rechtsordnung gelte für die Verwaltung wie für die Justiz, für diese 
aber Zweck, für jene Schranke sei: Bähr, Rechtsstaat S. 52, Ulbrich in 
Grünh. Ztschft. IX S. 1; Schulze, D. St.R. II S. 67; Laband, St.R. (1. Aufl.) 
lI S. 200; Jellinek, Ges. u. Verord. S. 218; Anschütz, Krit. Studien S. 55; 
Stier-Somlo, Einwirk. des Bürg.R. S. 12. Dieser Gedanke findet sich meines 
Wissens zuerst bei Stahl, Phil. d.R. (1837) II, 2 S. 45: Regierung im engeren 
Sinne, auch Verwaltung, Administration genannt, ist „bloß negativ durch das 
Gesetz begrenzt“.
	        
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