Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 19. Entwicklung des Polizeibegriffs. 217 
Angeordnete zu erläutern, zu ergänzen und genauer zu 
bestimmen. So ermöglichen sie auch dem Rechtsstaat noch, 
daß er, ohne seine Natur zu verleugnen, scheinbar ungemessene 
Ermächtigungen an die ausführenden Stellen erteilen läßt (oben 
S. 60). Und vor allem gestatten sie uns, solche Ermächtigungen 
als genügend zu der vom Verfassungsstaate hier geforderten ge- 
setzlichen Grundlage (oben S. 71ffl.) auch aus den kürzesten An- 
deutungen der Gesetze herauszulesen''®. 
Das allein ist es, was schließlich an dem ganzen Polizeibegriff 
juristisch wertvoll und verwertbar bleibt. 
Die umfassende Macht obrigkeitlicher Einwirkung: auf die 
Untertanen, die uns auf solche Weise entgegentritt, nennen wir 
die Polizeigewalt. Sie ist die öffentliche Gewalt, die 
auf dem Gebiete der Verwaltung wirksam wird zur 
Abwehr von Störungen der guten Ordnung des Ge- 
meinwesens aus dem Einzeldasein'. Sie nimmt selbst- 
strafb. Handl. S. 65, die Rolle, die das Naturrecht in meiner Auffassung von 
der Polizei spielt. Über den „unmittelbaren Zwang“, um den allein es sich 
handeln könnte; vgl. hier unten $ 25 Eing. 
13 Hier ist vor allem wichtig geworden $ 10 A.L.R. II, 17, den der Rechts- 
staat unverändert übernommen hat: „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der 
öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem 
Publiko oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, 
ist das Amt der Polizei“. Das ist die alte Sicherheitspolizei: Rosin, Polizei- 
verord. S. 122 ff. Vgl. oben S. 84 Note 3. — In Frankreich, das doch vorbildlich 
geworden ist für rechtsstaatliche Einrichtungen, gründen sich umfassende 
polizeiliche Befugnisse auf die lakonische Zuständigkeitsbestimmung des Ges. 
v. 22. Dez. 1789: „Les administrations d&partementales sont chargees du maintien 
de la salubrite, de la surete et de la tranquillit& publiques“ (Theorie d. franz. 
Verw.R. 3.57). Für Österreich ähnlich Verord. v. 20. April1854 (Brockhausen, 
in Grünh. Ztschft. XXIII S. 455 ff). Für Sachsen: Verord. v. 7. Nov. 1831, die Ein- 
richtung d. Min. Dep. betr.8$4C.n.5; Ges. A. v. 28. Jan. 18385 82 Ziff. 1 (vgl. unten 
8 21 Note 2). Baden: Pol. Stf.G.B. $ 30. Bayr. Pol. Stf.G.B. v. 28. Dez. 1871 
Art. 16 u. Art. 20 Abs. 1 gibt viel engere Ermächtigungen, über welche die 
Praxis denn auch hinausstrebt. 
Die Ansprüche an die erforderte gesetzliche Grundlage sind hier tat- 
sächlich so gering, daß man eine solche manchmal überhaupt nicht mehr sehen 
wollte. So G. Meyer (G. Meyer-Anschütz, St.R. S. 649, 650), der da glaubt, 
für sicherheitspolizeiliche Maßregeln einen ausreichenden Rechtsgrund finden 
zu müssen „in der allgemeinen staatsrechtlichen Stellung der Polizei“. Vgl. 
Zorn, in Annalen 1885 S. 309 Note 1. Auch ein „öffentliches Gewohnheits- 
recht“ hat natürlich wieder herhalten müssen: Schade, in Arch. f. öff. R. XXV 
8. 323, 8. 365 ff. 
14 So die Polizeigewalt bei Seydel, Bayr. St.R. III 8. 3 u. 4; 
G. Meyer-Anschütz, St.R. S. 649; Rosin, Begr. d. Pol., in Verw.Arch. III
	        
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