228 Die Polizeigewalt.
Ebenso bleibt es dem Einzelnen frei, über das, was ihm zu-
gehört, zu verfügen, mag auch darin gesellschaftlicher Wert
vergeudet werden. Er ist grundsätzlich in erster Linie zum Hüter
berufen und sein Wille maßgebend !°.
3. In verwandtem Gedankengange ist das polizeiliche Ein-
schreiten ausgeschlossen, wo die Rechtsordnung das schützende
Vorgehen der Obrigkeit von dem Willen des unmittelbar
Verletzten abhängig gemacht hat. Die Ziviljustiz bietet
das Hauptbeispiel. Auch das zivilrechtliche Unrecht ist
eigentlich eine Störung der guten Ordnung des Gemeinwesens.
Allein hier gehört es mit zur guten Ordnung, daß der Verletzte
selbst berufen ist, in Schimmpf oder Glimpf die Sache mit seinem
Gegner auszutragen. Eine Einmischung der Polizei würde nicht
hat das Gesetz selbst dieses Recht beschränkt oder seine Geltendmachung
ausgeschlossen. So in Gew.O. $ 26 zum Schutz genehmigter gewerblicher An-
lagen. Bei öffentlichen Sachen allerdings kann die Polizei, wie wir sehen
werden, mit ihren Machtmitteln die störende Geltendmachung dinglicher
Rechte abwehren; allein auch das wird erst wieder vermittelt durch ein be-
sonderes eigentumbeschränkendes Gegenrecht der öffentlichen Verwaltung; vgl.
unten $ 36, II, S 41, 1.
10 Besonderes Gesetz kann ausnahmsweise der Polizeigewalt auch hier
Macht geben. Beispiele bietet vor allem die Forstpolizei mit Rodungs-
verbot, Verbot der Waldverwüstung usw. Vgl. Schwappach, in Wörterb.
d. St. u. Verw.R. Art. Forstwesen $ 16; Foerstemann, Preuß. Pol.R. 8.7;
0.V.G. 16. Okt. 1908 (Entsch. LIII S. 346). Ein ähnlicher besonderer Schutz
drängt das Verfügungsrecht des Eigentümers einer Heilquelle zurück;. in
den allgemeinen polizeilichen Ermächtigungen wäre das nicht enthalten: O.V.G.
29. Sept. 1900 (Entsch. XXXVIII S. 291); 8. Nov. 1900 (Entsch. XXXVIU
S. 295); aber auch O.V.G. 2. Mai 1907 (Entsch. LI S. 205).
Eigentümlich steht es mit dem polizeilichen Schutz des einzelnen
Menschenlebens gegen diesen Menschen selbst. Diesem gehört es, er
kann darüber verfügen, aber doch nicht so frei, wie nach den Regeln des
Privatrechts über seine Habe. Die Sitte setzt ihm Grenzen: er darf es ein-
setzen für eine gute Sache; auch ein keckes Vertrauen in die eigene Geschick-
lichkeit, mit der die Gefahr bestanden werden kann, muß ihm durchgehn (so
der Fall des I,öwenbändigers in O.V.G. 11. Mai 1908; Reger XXIV S. 402).
Aber er darf es nicht wegwerfen wollen; die Polizeigewalt kann dagegen vor-
gehen als gegen unbefugte Gefährdung eines gesellschaftlichen Wertes, den
Selbstmord gewaltsam verhindern (ein elsässischer Friedensrichter hat sogar
einmal den Versuch dazu als groben Unfug bestraft), das Baden an gefährlichen
Orten, das Betreten der noch allzu dünnen Kkisdecke unter Strafdrohung
stellen. Die Berufung auf das freie Verfügungsrecht wird dagegen nichts
helfen. Andererseits setzt aber doch auch hier das befriedete Gebiet des
Privatlebens der Polizei ihre Grenzen; das lebensgefährliche Bad in meinem
Brunnenschachte kann man mir nicht verbieten; vgl. Kammergericht 30. Okt.
1902 (D.J.Z. 1903 S. 60); Schultzenstein, in D.J.Z. 1904 S. 81 ff.