$ 20. Grenzen der Polizeigewalt. 229
sowohl eine Verletzung der Zuständigkeit der Gerichte bedeuten,
denn die bleibt immer unversehrt, als eine Verletzung der Freiheit
der Beteiligten "!.
Es gibt ja Fälle, in welchen die Polizeigewalt auch gegen
zivilrechtliches Unrecht auftritt, „zum Schutze von Privatrechten‘“,
wie man sagt. Bei genauerem Zusehen ist das aber nur der
äußere Schein; in Wirklichkeit handelt es sich da immer um ein
selbständiges Anliegen der guten Ordnung, das bei dem zivil-
rechtlichen Unrecht mit berührt worden ist '?,
Ill. Sind die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Polizei-
gewalt gegeben, so werden Maßregeln zu treffen sein, die geeignet
sind, die Störung abzuwehren. Mangels ausdrücklicher gesetz-
licher Bestimmung wird man sich dabei von dem Gesichtspunkte
der Zweckmäßigkeit leiten lassen müssen. Aber nicht von diesem
allein. Auch die Abwehr erhält ihren Inhalt nach Richtung, Maß
und Art genauer bestimmt durch den Zusammenhang mit der zu
verwirklichenden polizeilichen Pflicht der Untertanen, die aller
Polizeigewalt zugrunde liegt und ihr auch nach dieser Seite hin
Rechtsgrenzen wirksam zieht.
1. Die obrigkeitliche Gewalt bedarf als solche eines Unter-
tanen, gegen welchen sie vorgeht und wirkt; das liegt in ihrem
rechtlichen Wesen. Für die Polizeigewalt ist dieser bezeichnet in
dem Einzelnen, von dem die abzuwehrende Störung der guten
Ordnung des Gemeinwesens ausgeht. Denn die Pflicht zur Ver-
meidung solcher Störung, um deren Verwirklichung es sich handelt,
kann offenbar gegen sonst niemand geltend gemacht werden, als
11 0,V.G. 17. Mai 1901 (Entsch. XXXIX S. 397): „die Ordnung privat-
rechtlicher Beziehungen steht grundsätzlich der Polizei nicht zu“. 0.V.G.
25. Juni 191 (XXXIX S. 383), 19. Jan. 19038 (XLII S. 354); Sächs. 0.V.G.
1. März 1902 (Jahrb. II S. 238), 12. Okt. 1907 (XI S. 215); Württ. Min. d. 1.
7. Mai 195 (Reger XXV S. 396).
18 Früher sehr gern angenommen: Foerstemann, Preuß. Pol. R. S. 6
bis 13; jetzt vor allem noch im Gesindewesen, wo privatrechtliche Verträge
angeblich im öffentlichen Interesse geschützt werden: O.V.G. 20. Okt. 1905
(Entsch. XLVIII S. 419); Schlickau, im Verw.Arch. XV S. 487. — Trotz
aller Verbesserungen des Zivilprozeßverfahrens wird immer noch die Unent-
behrlichkeit eines polizeilichen summariissimum in bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten behauptet für den Fall, daß „die Hilfe bei den zuständigen Behörden
nicht rechtzeitig zu erlangen ist“: O.V.G. 4. Mai 1897 (Entsch. XXXII S. 425);
13. Mai 11 (XXXIX S. 278). Wo der Streit nicht zugleich in echte Polizei-
widrigkeiten ausartet, könnte ein solches Einschreiten für die beteiligten Be-
amten, je nach dem gerichtlichen Ausgange der Sache, recht bedenklich werden.