240 Die Polizeigewalt.
ist, ist es im Sinne des rechtsstaatlichen Gesetzes unzulässig,
von der Polizeiverfügung Gebrauch zu machen®.
Wenn danach die Polizeiverfügung zugunsten der Polizei-
verordnung ausgeschlossen wird, kann man sie nicht dadurch ein-
schlüpfen lassen, daß man sie unter Wahrung der Formen der
Verordnung erläßt: es gibt keine selbständig wirkende Form
der Verordnung, wie es eine Gesetzesform gibt; die Verordnung
ist wesentlich durch ihren Inhalt bestimmt, der ein Rechtssatz
sein muß. Noch weniger hilft es selbstverständlich, diese behörd-
liche Verfügung als Rechtssatz für den Einzelfall, lex specialis,
Sondergesetz, privilegium usw. zu betiteln; das sind leere Namen,
durch welche das Gesetz sich nicht täuschen läßt”.
Es ist auch nicht zulässig, daß dann die zur Verordnung er-
mächtigte Behörde einfach eine Verordnung erläßt, in welcher sie
sich vorbehält, das, was befohlen sein soll, in den Einzelfällen
durch polizeiliche Verfügungen kundzutun. Was das Gesetz ihr
nicht freistellen wollte, kann sie sich nicht auf dem Umwege der
® So Edel, Bayr. Pol.Stf.G.B. S. 152: „Dagegen wäre es sehr bedenklich,
wenn ein solcher Artikel der Polizei Gelegenheit geben würde, durch Spezial-
verfügungen, die sie bei gleichen Voraussetzungen an verschiedene Personen
in verschiedenem Sinne erläßt, eine Rechtsungleichheit herbeizuführen.“ Vgl.
auch Theorie d. Franz. Verw.R. S. 66. — Das Preußische Recht steht aller-
dings auf dem Standpunkte, daß es der Behörde, wo sie polizeiverordnungs-
berechtigt ist, freibleibt, statt der Verordnung die Einzelverfügung zu wählen:
O0.V.G. 14. März 1886 (Entsch. XIII S. 3895); v. Arnstedt, Preuß. Pol.R. I
S.66. Bei den unteren Verwaltungsgerichten bestand eine Zeitlang die Neigung,
in solchem Falle nur die Verordnung für zulässig zu erklären (so nach O.V.G.
9. Juni 1877, 27. Juni 1877, 9. Juni 1884); meine Annahme, die Entwicklung
werde in dieser Richtung weitergehen, hat sich seither nicht bestätigt.
? Rosin, Pol.Verord.R. S. 10, S. 102 Note 15, S. 155, bahnt den Weg zu
solchem Vorgehen durch seinen Begriff der „Individualverordnung“. Bornhak,
Pr. St.R. III S. 155, kennt ebenfalls „polizeiliche Rechtsnormen für den einzelnen
Fall“, hält sie nur für ausgeschlossen durch ein eigens zu diesem Zwecke an-
genommenes Gewohnheitsrecht. Für Preußen hat es aber gar keinen Wert,
darüber zu streiten, da die Behörden beliebig statt zur Verordnung zu der auf
Grund von A.L.R. Il, 17 $ 10 zu erlassenden Verfügung greifen können, ohne
daß sie nötig hätten, ihr zu diesem Zwecke erst noch den Titel Rechtsnorm
oder Verordnung zu verleihen. Daß sie eine etwa auf den Fall anwendbare
Verordnung durch eine Verfügung nicht durchbrechen können, ist wieder eine
Sache für sich; es beruht nicht auf der Rechtsstaatsforderung, sondern auf
der bindenden Kraft des Rechtssatzes und gilt deshalb auch in Preußen.
Rosin, a. a. ©. S.102 Note 15, möchte selbst eine solche Durchbrechung zu-
lassen, wenn die Verfügung als „eximierende Individualverordnung“ bezeichnet
wird.