$ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft. 15
II. Das also abgegrenzte Verwaltungsrecht ist zu keinem Teile
etwa nur ein besonders gestaltetes Zivilrecht, von dem gewöhnlich
geltenden nur durch gewisse Abweichungen ausgezeichnet. Sondern
es ist diesem gegenüber eine andere Rechtsart: es gehört dem
öffentlichen Rechte an* Das ist an seinen Einzelheiten
leicht erkennbar — vorausgesetzt freilich, daß man erst einmal
weiß, was öffentliches Recht ist —, ergibt sich aber auch von
vorneherein mit Notwendigkeit aus der Natur der Sache.
Sobald wir nämlich, gemäß dem soeben Gesagten, davon ab-
sehen, den Staat wie einen Einzelnen zu behandeln und das für
die Einzelnen geltende Recht auf ihn anzuwenden, muß an
dem Staate eine besondere rechtliche Wirkungskraft zum Vor-
schein kommen, die in seiner Natur als Gemeinwesen begründet
ist, die öffentliche Gewalt. Unter Gemeinwesen Sind zu
verstehen: Menschengemeinschaften für Zwecke, die über die
Zwecke von Einzelmenschen hinausgehen. Das Hauptbeispiel ist
gerade der Staat, der seine Menschen massenweise opfern darf für
die Zukunft der geschichtlichen Größe Volk, der er die Gestalt
zu geben bestimmt ist; Gemeinden, Kirchen sind ähnlicher Art.
Der für ein solches Gemeinwesen geäußerte Wille ist ausgestattet
mit rechtlich überwiegender Macht über die Menschen
seines Machtbereiches. Und darin besteht die öffentliche
Gewalt. Wo die öffentliche Gewalt in höchster Spitze erscheint,
überlegen auch allen anderen Erscheinungen dieser Art innerhalb
ihres Machtbereiches, nennen wir sie Staatsgewalt, Souveränität
(vgl. oben $ 1, D°.
waltungsrechts hinauslief. So auch noch Laband, St.R. 1. Aufl. II S. 205 f.;
teilweise beibehalten in 5. Aufl. 1I S. 185 f.
* Über diesen Begriff und die verschiedenen Arten, ihn festzustellen,
übersichtlich: Stier-Somlo, Einwirkungen d. bürg. Rechts auf das preuß.
deutsch. Verw.R. S. 12 ff.
®»Schmitthenner, Allg. St.R. $ 64: „Von dem Wesen der Staats-
gewalt“, beginnt S. 274 seine trefflichen Auseinandersetzungen wie folgt: „Ge-
walt (potestas) im allgemeinen gleichbedeutend mit Macht d. i. Fähigkeit
zu einer Wirkung und Tätigkeit ... im Gebiet des Sittlichen die Möglichkeit,
über ein Anderes, in Beziehung auf eine Person also über dieselbe mit Auf-
hebung oder doch Beschränkung ihrer Freiheit zu bestimmen.“ Weigand,
Wörterbuch der deutschen Synonyme, auf den Schmitthenner sich hier be-
ruft, gibt den Begriff wieder mit „Wirkungstüchtigkeit“ (2. Aufl. II
S. 342). S. 277 bestimmt dann Schmitthenner die „Öffentliche Gewalt“ als „die
sittliche oder rechtliche Macht, über eine Person oder eine Sache zu dem
Zwecke einer Gemeinheit, oder zu der Idee eines Vereins zu bestimmen.“ —
Ähnlich Sarwey, Allg. Verw.R. S. 15: Staatsgewalt heißt es wegen der