$ 23. Die Polizeistrafe. 279
beim ordentlichen Strafrecht den Menschen, der vor der Obrigkeit
steht, er wird mißbilligt in seinem Verhalten, und diese Ver-
bindung kann nur hergestellt werden durch die Annahme eines
Verschuldens.
Wenn die Polizeistrafe besonders streng ist, so bedeutet das
nur, daß der Verursacher der Polizeiwidrigkeit besonders leicht
dafür angesehen wird, in Verschulden zu sein, seine Schuldigkeit
nicht getan zu haben. Das Maß der Sorgfalt, welches
hier verlangt wird, ist ein besonders hohes.
Das hängt zusammen mit der natürlichen Grundlage,
auf welcher alle Polizeigewalt steht: mit der vorausgesetzten
allgemeinen Pflicht des Menschen im Staate, Störungen der guten
Ordnung des Gemeinwesens zu vermeiden; vgl. oben S. 213 ff. Diese
Pflicht ist sehr anspruchsvoll, folglich leicht zu verletzen, und
wenn Strafe gesetzt ist auf eine Polizeiwidrigkeit, so ist bei Vor-
liegen des objektiven Tatbestandes, der hätte vermieden werden
sollen, eine Pflichtverletzung dessen, auf den er zurückzuführen
ist, folglich ein zur Strafbarkeit genügendes Verschulden ver-
hältnismäßig sehr leicht gegeben. Daraus fließen alle Einzelheiten
von selbst.
Man hat mit Recht hervorgehoben, daß für das ordentliche
Strafrecht die Bestrafung der Fahrlässigkeit die Ausnahme
bildet, für das Polizeistrafrecht aber keineswegs!®. Im Gegenteil:
hier ist die Regel, daß Fahrlässigkeit genügt. Das Strafgesetz
kann natürlich auch Vorsatz, Wissentlichkeit geradezu verlangen;
dann ist aber sehr die Frage, ob es sich noch um ein Polizei-
delikt handelt '?.
Andererseits scheint bei zweifellosen Polizeidelikten manchmal
der Tatbestand, wie er bezeichnet ist, von selbst nur auf vor-
sätzliches Handeln gemünzt; dann wird man sehr vorsichtig sein
müssen, bevor man schlechthin verneint, daß nicht auch einmal
Fahrlässigkeit zutreffen und genügen mag, wenn sonst der äußere
Tatbestand, der vermieden werden sollte, erfüllt ist !®,
#8 Frank, Stf.G.B. zu Abschn. 29, II; Rotering, Polizeiübertret.
S. 20; Stenglein, Strafrechtl. Nebenges., zu Ges. v. 25. Juni 1887 8 >
Note 4.
1 Die kleinen „wissentlichen“ Fälschungsdelikte, Stf.G.B. $ 363 u. 8 364,
die Rotering, 8.a.0. S.22, besonders erwähnt, sind sicherlich keine Polizei-
übertretungen.
18 Grober Unfug nach Stf.G.B. $ 360 Ziff. 11 kann in harmlosester Fahr-
lässigkeit verübt werden, und auch des $ 366 Ziff. 6 (Hetzen von Hunden