Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

290 Die Polizeigewalt. 
3. Die Verhängung der Zwangsstrafe setzt kein Verschulden 
im Sinne des gemeinen Strafrechts voraus. Ihr Grund ist die 
Nichterfüllung der Gehorsamspflicht und das dadurch 
gegebene Ärgernis. Die Frage, wie weit der Pflichtige dafür ver- 
antwortlich gemacht werden kann, bemißt sich nach denselben 
Grundsätzen, wie sie auch für zivilrechtliche Leistungs- 
pflichten gelten. Er wird nur frei, wenn es nicht an ihm lag, 
daß die Erfüllung unterblieb '°. 
Daraus folgt, daß grundsätzlich einer solchen Zwangsstrafe 
jeder unterliegen kann, der auch verpflichtbar ist durch einen 
Polizeibefehl. Denn die Nichterfüllung der durch diesen erzeugten 
Gehorsamspflicht führt durch Vermittlung der vorgängigen An- 
drohung von selbst zu dieser Strafe, sofern nicht der besondere 
Entlastungsbeweis geführt wird. 
Auch Handlungsunfähige können durch solche Polizeibefehle 
verpflichtet werden, die gehörige Kundgabe zuhanden ihrer ge- 
setzlichen Vertreter vorausgesetzt. Ist die Nichterfüllung der polizei- 
lichen Pflicht durch Schuld ihrer Vertreter geschehen, so sind sie 
dadurch nicht entlastet. Der Vertreter wird ihnen natürlich haftbar 
werden und das genügt, auch ihn anzutreiben, daß er das Seinige 
tue, um dem Befehle Gehorsam zu verschaffen !®. 
Jolly, in seinem Kommentar S. 9; diese Ansicht ist übernommen worden 
von Bingner und Eisenlohr, Bad. Stf.R. S. 194, und jetzt wieder von 
Schlusser, Pol. Stf.G.B., zu $ 31 S. 9; Thoma, Polizeibefehl S. 93 
Note 16, widerspricht ihr. 
18 B.G.B. 8 275. Isaak, in Ztschft. f. d. ges. Stf£R.W. XXI S. 652: 
Hofacker, in Verw.Arch. XIV S. 483 („die Exekutivstrafe vorzugsweise auf 
die entsprechende Anwendung des bürgerlichen Rechts, nicht des Strafrechts 
angewiesen“). R.G. 23. Jan. 1896 (Entsch. XXXVI S. 417) verlangt eine „sub- 
jektive Verschuldung“, die aber möglicherweise auch bei einem Dritten liegen 
könnte, den der zu Bestrafende „vertreten muß“. 
1° Damit erledigen sich wohl die Bedenken, welche Fleiner, Instit. 
S. 150, gegen die Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens erhebt. — Über diese 
Fragen vor allem Schultzenstein, in Ztschft. f. d. Z.P. XXV S. 475ff.; 
ders. in Verw.Arch. XIV S. 1ff.; Hofacker, in Verw.Arch. XIV S. 457. 
Auch die Ungehorsamsstrafe nach Z.P.O. $ 888 richtet sich gegen die juristische 
Person, die als Partei verurteilt worden ist: Seuffert, Kom. zu $ 888 Note 1; 
Weismann, Lehrb. 179 Note 4. Stein, Kom. zu $ 888 Note IV, erklärt 
die Anwendung des Zwangsmittels „dadurch nicht ausgeschlossen, daß der 
Schuldner eine juristische Person ist“; nur soll es sich sofort gegen den 
gesetzlichen Vertreter richten. Das ist aber so ohne weiteres (vgl. unten 
Note 17) nicht möglich: was hat der Vertreter persönlich mit dem siegreichen 
Gegner der juristischen Person zu tun und mit dem an diese ergangenen 
Urteilsbefehl? Ebenso ist zu rasch der Satz, den Preger, Arch. f. öfl. R.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.