294 Die Polizeigewalt.
die Fähigkeit, in den Zwang einfach übergeführt zu werden, ist
aber im obrigkeitlichen Befehl von selbst enthalten.
Die neuere Gesetzgebung hat sich auch dieses Zwangsmittels
bemächtigt und namentlich das Verfahren dafür geordnet. Soweit
sie es nicht besonders beschränkt hat, ist es innerhalb seines
natürlichen Gebietes zulässig auch ohne Gesetz ?®.
Es muß sich also handeln um eine befohlene Tätigkeit, welche
statt des Pflichtigen auch durch einen anderen verrichtet werden
kann. Den Hauptgegenstand bilden solche Fälle, wo ein äußerer
Zustand von Sachen in Frage ist, der geändert werden soll: polizei-
widrige Bauten und Aufstapelungen sind zu entfernen, Schutzvor-
richtungen anzubringen, störende und schädliche Dinge zu ver-
bessern; namentlich die übrig gebliebenen Spuren strafbarer Hand-
lungen werden in dieser Weise beseitigt.
Es kann sein, daß zur Erreichung des Zweckes neben der
Ersatzvornahme auch das erste Zwangsvollstreckungsmittel, die
Ungehorsamsstrafe, möglich ist. Das Verhältnis zwischen beiden
hat die ’Zivilprozeßordnung dahin geordnet, daß in solchen Fällen
die Ungehorsamsstrafe ausgeschlossen sein soll (2.P.O. 8 888). Das
natürliche aber ist, daß alsdann die Behörde die Wahl hat zwischen
beiden Mitteln, um eines oder das andere oder auch beide neben-
einander anzuwenden. Durch besondere Gesetzesbestimmungen
kann auch die polizeiliche Ersatzvornahme im Interesse des Be-
troffenen bevorzugt sein, so daß sie unter gewissen Voraussetzungen
statt der späteren Ungehorsamsstrafe ausschließlich stattfinden
soll 2%,
28 Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 16 läßt die Ersatzvornalıme regelmäßig nur zu
„auf Grund eines wegen einer Uebertretung ergangenen rechtskräftigen Straf-
urteils“ (besondere Fälle außerdem in Art. 20 u. 21). Diese Regel ist wieder
ganz französisch. Vgl. oben Note 18; Theorie d. franz. V.R. S. 190; Bayr.
Obst.1..G. 25. Mai 1905 (Reger X\XVI S. 61). Im Elsaß war die erforderliche
Ermächtigung des Strafgerichts zur Zwangsbeseitigung polizeiwidriger Bauten
seit Einführung der Stf.Pr.O. nicht mehr zu erlangen; die Baupolizeibehörden
hatten sich darein gefügt, bei dem Zivilgericht Klage zu erheben auf ent-
sprechende Verurteilung des Uebeltäters. In der Ueberzeugung, daß die
Zwangsersatzvornahme für meine Polizeibefehle selbstverständlichen Rechtes
sei, habe ich nachher als Leiter der Straßburger Baupolizei etliche Feuerwehr-
männer als baupolizeiliche Vollstreckungsbeamte vereidigt und mit ihnen
polizeiwidrige Bauwerke zwangsweise abreißen und ändern lassen. "Es ging
ohne Schwierigkeiten und fand in anderen Städten Nachahmung.
t* Nach Pr. L.V.G. & 132 ist umgekehrt statt Ungehorsamsstrafe Ersatz-
vornahme zu wählen, „sufern es tunlich ist“. Es sollen dabei Erwägungen
der Zweckmäßigkeit und schonende Kücksichtnahme auf den Gezwungenen