Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

306 Die Polizeigewalt. 
diese Lage gekommen sind oder gegen seinen Willen. Das ge- 
sunkene Schiff wird gesprengt, um das Fahrwasser des Öffentlichen 
Kanals frei zu machen, ohne daß man den Eigentümer nur kennte. 
Ob dieser davon weiß, daß sein Schiff die Schiffahrtsanstalten „an- 
greift“, ob er oder sein Vertreter irgend etwas dafür kann, ist 
alles gleichgültig '°. 
3. Die Gewaltanwendung zur Selbstverteidigung, wie sie 
durch den Angriff gerechtfertigt wird, ist auch in Umfang und 
Maß durch die Art des zu schützenden Gutes und des ab- 
zuwehrenden Angriffes bestimmt. 
Die Verwaltung wirft ohne weiteres alles beiseite, was störend 
in ihre Lebensäußerungen eingreift. Alle dazu erforderliche Gewalt- 
anwendung an Personen und Sachen ist durch diesen Zweck allein 
schon gerechtfertigt. 
Ein Abwägen zwischen dem Interesse des Staates an der Un- 
gestörtheit seines Besitzes und Unternehmens und dem Nachteil, 
welcher dem Einzelnen durch die gewaltsame Beseitigung der 
Störung zugeht, kann dabei nötig werden gemäß dem Grundsatz 
der Verhältnismäßigkeit der Polizeigewalt (oben $ 20, III n. 2). 
"Das gilt namentlich von der Wahl der Mittel der Gewalt. Was 
mit geringerer Schädigung erreicht werden kann, darf grundsätzlich 
nicht sofort mit härteren Schlägen gefaßt werden". 
Die Gewaltanwendung hört von selbst auf, berechtigt zu 
sein, sobald der Zweck, der sie rechtfertigt, erreicht ist. Das ist 
dann der Fall, wenn der Angriff vollständig überwunden und be- 
seitigt ist. Auch in seinen Wirkungen. Die Selbstverteidigung 
ist nicht darauf beschränkt, ihn noch in der Bewegung zu 
fassen. Die strafrechtliche Notwehr „hört auf mit dem endgültigen 
Gelingen des rechtswidrigen Angriffs“; die polizeiliche Selbst- 
verteidigung erstreckt sich auch noch auf die durch das Gelingen 
des Angrifis geschaffenen Zustände, sofern sie als fortdauernde 
Störung sich darstellen. Gewalt findet z. B. nicht bloß statt gegen 
denjenigen, der seine Sache als Verkehrshindernis aufstellen will, 
10 So R.G. 30. Nov. 1910 (Enntsch. LXXIV, 8. 362). — 0.V.G. 19. Nov. 1903 
(Entsch. XLIV, S. 419) hat dagegen in einem ähnlichen Fall (Beseitigung eines 
gestrandeten Wracks) den Anspruch auf Kostenerstattung abgewiesen, weil 
das Wrack zwar durch den Inanspruchgenommenen, aber „ohne ein Verschulden“ 
in die störende Lage gekommen war. 
1! Der Aedile, der in D. 18, 6, 12 die auf der Straße stehen gebliebenen 
(rerätschaften einfach zerschlagen läßt, beginge heutzutage eine Gewaltüber- 
schreitung. — Das Nähere über die anzuwendenden Mittel unten 8 26, 1I.
	        
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